Bangladesch: Besitzer von Einsturz-Fabrik gefasst

Dhaka (dpa) - Der seit Tagen abgetauchte Besitzer des eingestürzten Fabrikgebäudes in Bangladesch ist gefasst. Die Behörden des Landes verhafteten Sohel Rana am Sonntag bei dem Versuch, ins benachbarte Indien auszureisen, wie die Regierung mitteilte.

An der Unglücksstelle bei Dhaka zogen Rettungskräfte unterdessen weitere Tote aus den Trümmern - die Opferzahl stieg am Sonntag auf 373. Fast 100 Stunden nach dem Einsturz eines achtstöckigen Gebäudes befreiten die Helfer aber auch noch vier Überlebende. Bangladesch erlebt die wohl größte Industriekatastrophe seiner Geschichte.

BERGUNG: Die Rettungskräfte fuhren große Kräne und Bagger auf. „Es gibt an diesem Punkt keine andere Alternative mehr, als schweres Gerät zu verwenden“, sagte Einsatzchef Syed Hassan Suhrawardy. Vier Tage und Nächte lang hatten sich die Helfer durch Betondecken und Wände des einst achtstöckigen Gebäudes geschnitten, das auf Sandwich-Format zusammenklappte. Nach Augenzeugenberichten war der Leichengeruch im Gebäude für die Helfer mittlerweile unerträglich.

ÜBERLEBENDE UND OPFER: Fast 2500 Menschen wurden seit Mittwoch lebend geborgen. Auch am Sonntag seien noch einmal vier Menschen aus dem früheren vierten Stock des „Rana Plaza“ geholt worden, berichtete der „Daily Star“ online. Einige weitere Überlebende wurden demnach geortet. Die Behörden veröffentlichten zudem eine Liste mit fast 600 Namen von Vermissten. Wie viele noch unter den Trümmern liegen könnten, blieb weiter unklar. Ministerpräsidentin Sheikh Hasina versprach bei einem Besuch im Krankenhaus, die Regierung werde die Kosten für die Behandlung der Verletzten übernehmen.

FESTNAHMEN: Der Besitzer des Hauses, der tagelang untergetaucht war, ging den Behörden an der Grenze zu Indien ins Netz, bestätigte der Minister für regionale Entwicklung Jahangir Kabir Nanak. Der Eigentümer soll beim Bau minderwertiges Material verwendet haben. Drei Betreiber von Fabriken in den oberen Stockwerken des maroden Gebäude stellten sich am Samstag. Sie sollen laut Polizei die Angestellten trotz Rissen im Gebäude zur Arbeit gezwungen haben. Auch zwei Bau-Kontrolleure der Regierung wurden in Gewahrsam genommen.

PROTESTE: Rund 4000 Textilfabriken blieben am Wochenende wegen Protesten tausender Arbeiter geschlossen. Die Demonstranten forderten die Festnahme aller Verantwortlichen sowie sichere Arbeitsstandards. Sie blockierten Straßen, zerstörten Autos und beschädigten einige Unternehmen in Industrievierteln der Hauptstadt. Die Polizei setzte in und um Dhaka Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Ansammlungen aufzulösen. Mindestens 20 Arbeiter wurden dabei verletzt.

PROFITEURE: In dem zerstörten Gebäude wurde auch für Kunden in Europa und den USA genäht, darunter Mango aus Spanien und Primark aus Großbritannien. Laut dem Geschäftsführer Wolf-Rüdiger Baumann vom Gesamtverband Textil + Mode arbeiten solche Ketten mit Agenten, die die Aufträge weitergeben. Und zwar an „irgendwelche Zulieferbetriebe, die in der Tat zum Teil unter Bedingungen arbeiten, die einen erschauern lassen“. In dem Haus ließ auch die Firma Ether-Tex nähen, die früher unter anderem für C&A und Kik produzierte. Der IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers sagte, die Arbeitgeber gingen aus Selbstsucht und Profitgier im Wortsinne über Leichen.

INDUSTRIE: Die Textilindustrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Niedriglohnlandes, sie macht 79 Prozent der Exporteinnahmen aus. Wichtigste Abnehmer sind Europa und die USA. In Deutschland stehen Kleidungsimporte aus Bangladesch an dritter Stelle hinter China und der Türkei. Kritik an den Sicherheitsstandards in dem südasiatischen Land wird immer wieder laut. Im November kamen 112 Arbeiter bei einem Feuer in einer Fabrik bei Dhaka ums Leben. 64 starben als im Jahr 2005 eine Fabrik in Savar einstürzte. Mindestens 22 Menschen wurden getötet, als 2006 ein Haus in Dhaka zusammenbrach.

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