Bahnchef räumt Defizite ein und will investieren

Berlin (dpa) - Das Kälte-Chaos bei der Bahn hat den Bund-Länder-Konflikt um die 500-Millionen-Abgabe des Konzerns an die Staatskasse angeheizt.

Bei der Verkehrsministerkonferenz an diesem Montag wollen die Ressortchefs der Länder fordern, dass der Bund auf seine jährliche Gewinnausschüttung von einer halben Milliarde Euro ab 2011 verzichtet - und dass das Geld in Gleisnetz, Züge und Werkstätten investiert wird. Eine Beschlussvorlage für die Sondertagung der Minister in Berlin lag am Wochenende der Nachrichtenagentur dpa vor.

Angesichts der massiven Probleme der Bahn mit dem Winterwetter räumte Konzernchef Rüdiger Grube Defizite ein - Investitionen in eine neue Flotte sollen Besserung bringen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kündigte am Sonntag im ZDF an, er wolle in der Regierung dafür werben, die Dividende überwiegend zur Finanzierung von Verkehrsprojekten zu nutzen. Gleichzeitig verteidigte er aber die Haltung der Regierung, auf die Ausschüttung nicht zu verzichten.

Das Bundesfinanzministerium wies die Forderung der Länder strikt zurück. Die jährliche Bahn-Dividende von 500 Millionen Euro sei im Sparpaket und im Bundeshaushalt 2011 fest eingeplant sowie Teil der mittelfristigen Finanzplanung, sagte ein Sprecher am Samstag der dpa in Berlin. „Daran wird nicht gerüttelt.“ Der Vorstoß der Länder birgt Brisanz für die schwarz-gelbe Regierung: Ihr 80-Milliarden-Sparpaket könnte zerbröseln. Denn im „Zukunftspaket“ von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht von 2011 bis 2014 auch für jedes Jahr der Posten „500 Millionen Euro Bahndividende“.

Ramsauer drohte den Bahn-Verantwortlichen mit Konsequenzen für mögliche Fehler im Winter-Chaos: „Wenn sich herausstellt, dass es vermeidbares Chaos gab, muss es Konsequenzen geben. Als Ausrede taugt der Winter in Deutschland nicht - und auch nicht die Fehler der Vergangenheit.“ Die Probleme der vergangenen Wochen seien Ergebnis des jahrelangen Sparkurses und Renditendrucks bei der Bahn, räumte Ramsauer ein. Der Minister fordert schon länger: „Ich erwarte, dass die Züge bei plus 40 Grad genauso wie bei minus 40 Grad funktionieren müssen.“

Der Bahnchef, der auf der Ministerkonferenz Rede und Antwort stehen wird, zeigte sich selbstkritisch: „Wir haben uns zwar deutlich besser als im Vorjahr auf den Winter vorbereitet. Es gibt aber nichts schönzureden“, sagte Grube der „Bild am Sonntag“. „Wir müssen noch besser werden. Nicht zuletzt deshalb planen wir milliardenschwere Investitionen in eine neue IC- und ICE-Flotte.“ Zugleich mahnte Grube Objektivität bei der Bewertung der zahlreichen Zugverspätungen und -ausfälle in den Winterwochen an.

Die Länder wollen auf Ankündigungen der Bahn nicht mehr vertrauen. Bis zur Verkehrsministerkonferenz im Herbst soll Grube einen „Maßnahmenplan für einen uneingeschränkten Betrieb in der Winterperiode 2011/2012“ aufstellen.

Auf Harmonie kann der Bahnchef, der an diesem Montag wegen des nicht enden wollenden S-Bahn-Chaos in der Hauptstadt auch im Berliner Abgeordnetenhaus erwartet wird, also nicht hoffen. Nach hitzebedingten Störungen bei der Bahn im Sommer zeigten die Verspätungen und Zugausfälle im Winter, dass die Probleme hausgemachter Natur seien, heißt es in der Vorlage des Landes Nordrhein-Westfalen für die Konferenz. „Die wesentliche Ursache hierfür dürfte in den massiven Einsparungen im Zusammenhang mit dem geplanten Börsengang verursacht liegen“, schreiben die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg in einem Änderungsvorschlag.

Niedersachsens Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) ging in einem dpa-Gespräch mit Blick auf eingefrorene Weichen von Problemen mit der Wartung aus. „Wenn das so ist, muss man auch darüber diskutieren, ob es genügend Personal gibt.“ Daher sei es fraglich, ob die geplante Ausschüttung einer Dividende an den Bund als Eigentümer noch Sinn mache. „Vielleicht braucht man das Geld, um den gewollten Standard zu erhalten.“ Der rheinland-pfälzische Ressortchef Hendrik Hering (SPD) forderte den Bund auf, mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur zu stecken.

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