20er-Jahre-Krimi in der ARD „Babylon Berlin“ geht weiter

Berlin · „Babylon Berlin“ hat sich in alle Welt verkauft. Im Januar startete die dritte Staffel bei Sky. Jetzt ist das Erste an der Reihe - und serviert dazu noch Kinogeschichte.

 Die beliebte Serie „Babylon Berlin“ geht weiter, diesmal soll sie besten Sendezeit im Ersten laufen.

Die beliebte Serie „Babylon Berlin“ geht weiter, diesmal soll sie besten Sendezeit im Ersten laufen.

Foto: dpa/Frédéric Batier

Was bisher geschah: „Babylon Berlin“ wurde in mehr als 120 Länder verkauft. Der 20er-Jahre-Krimi, ein Sittengemälde der Weimarer Republik, gewann reihenweise Preise und brachte die Mediatheken zum Glühen. Im Januar startete die dritte Staffel beim Bezahlsender Sky, der bei diesem Ausnahmeprojekt mit der ARD zusammenarbeitete. Jetzt im Oktober ist das Erste dran, die zwölf Folgen auszustrahlen.

Zum Auftakt bekommt der Krimi am 11. Oktober den „Tatort“-Platz am Sonntagabend. Schon zwei Tage vorher geht es in der Mediathek los. Im Netz sind am 11. Oktober dann alle drei Staffeln komplett zu sehen.

„Online first“ lautet das ARD-Motto. Das ist ein klares Signal in Richtung Streaminganbieter wie Netflix und der Versuch, das Online-Angebot noch sichtbarer zu machen. Außerdem gibt es zum „Babylon Berlin“-Start eine Hörspielreihe und Filme aus der Kinogeschichte der Epoche in der Mediathek, darunter „Metropolis“ (1927) und „Menschen am Sonntag“ (1930).

Regie führen wieder Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries. „Babylon Berlin“ hat im Ersten ein anderes Publikum als bei Sky. Tykwer sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur: „Wir wissen, dass da andere Leute einschalten: der ganz große Rest von Deutschland, der "Tageschau" guckt und es schön findet, dass man Viertel nach Acht vor dem Fernseher sitzt. Der es schön findet, dass es ein geregelter Vorgang ist, den man mit Freunden und Bekannten synchronisieren kann.“

Die liebevoll gezeichneten Krimis von Volker Kutscher haben viele Fans. Die Regisseure haben den Stoff sehr frei interpretiert, einiges dazu erfunden und mit Wumms inszeniert. Das Zeitkolorit passt gut zum Heute: Ewig locken die wilden 20er Jahre und das legendäre Berliner Nachtleben, damals das Moka Efti, 100 Jahre später das Berghain.

Und da sind die Hauptdarsteller, passend zur Epoche, besonders Liv Lisa Fries als Nachwuchspolizistin Charlotte Ritter. Die 29-Jährige ist neben Volker Bruch, der Kommissar Gereon Rath spielt, der große Star der Serie. Die Berlinerin ist das moderne Gesicht der 20er Jahre geworden, die Millennial-Antwort auf Marlene Dietrich.

Vorlage für die neue Staffel ist der zweite Roman der Gereon-Rath-Reihe, „Der stumme Tod“. Wieder gibt es viel Zeitgeistiges. Charlotte Ritter hat es in der Männerwelt der Polizei schwer. In einer Szene hört sie die Kabarettistin Claire Waldoff, die singt „Raus mit den Männern ausm Reichstag“.

Wer beim Start der Serie die Handlung überfrachtet fand: Dieses Mal ist es einfacher. „Babylon Berlin“ ist dichter an die Figuren gerückt. Die Geschichte setzt beim Börsencrash im Herbst 1929 an und geht dann ein paar Wochen zurück. In den Filmstudios von Babelsberg wird die Schauspielerin Betty Winter bei Dreharbeiten von einem Scheinwerfer erschlagen. Ein Phantom mit schwarzem Umhang taucht auf. Die Bosse der Unterwelt mischen mit.

Der Fall Greta Overbeck (Leonie Benesch) geht weiter. Sie ist wegen eines tödlichen Anschlags im Gefängnis und beschuldigt auf einmal die Kommunisten, nicht mehr die Nazis. Es geht außerdem um Spekulationsbetrug, eine scheiternde Beziehung (bei Gereon Rath), eine kranke Schwester (bei Charlotte Ritter) und viel um die Polizei.

Der dicke Polizeipräsident Gennat (Udo Samel), eine historisch verbuchte Figur mit dem Spitznamen „Buddha“, serviert Torte wie im Buch. In surrealen Szenen sitzt Rath in der Litfaßsäule bei einem Nervendoktor (Jens Harzer). Wenn man der Serie etwas vorwerfen will, dann dass der Zuschauer das Kulissenhafte nicht immer vergessen kann.

Die Regisseure drehten mit mehr als 200 Darstellern mit Sprechrollen. Es gibt wohl keine andere deutsche Serie, die so hochkarätig besetzt ist, beim Aufzählen muss man Luft holen: Lars Eidinger, Benno Fürmann, Hannah Herzsprung, Mišel Matičević, Fritzi Haberlandt, Jördis Triebel, Karl Markovics, Christian Friedel, Trystan W. Pütter, Thorsten Merten, Godehard Giese, Saskia Rosendahl, Sabin Tambrea, Jacob Matschenz und Martin Wuttke. Unter den Neuzugängen der dritten Staffel ragen besonders Meret Becker (eine in die Jahre gekommene Filmschönheit) und Ronald Zehrfeld (ein brutaler Gangster) heraus.

Die vierte Staffel ist bereits in Arbeit. „Wir haben Ende August 12 Bücher abgegeben und werden ab Oktober mit Hochdruck daran arbeiten, dass sie verfilmbar werden“, erzählt Achim von Borries. „Die Idee ist, dass wir nächstes Jahr drehen, ab Frühjahr.“ Weiteren Stoff gäbe es noch reichlich. Kutscher hat sieben Rath-Bände veröffentlicht.

Die Macher der Serie gehen chronologisch weiter. „Wir haben immer gesagt, 1933 ist es vorbei“, so von Borries. „Wenn es eine letzte Staffel gibt, wären es die ersten Monate nach der sogenannten Machtergreifung vor dem Reichstagsbrand. Da hatten die Nationalsozialisten das Land so fundamental umgekrempelt, dass mit dem Babylonischen in Berlin Schluss war. Danach wollen wir nicht weitererzählen.“

Was laut von Borries schon sicher ist: „In der vierten Staffel wird es einen Sprung ins Jahr 1931 geben. Aber der Eisberg wie bei der "Titanic", der ist noch nicht zu sehen. Es liegt noch ein Stück vor uns und unseren Helden.“

(dpa)
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