Auch mit 70 ist Japans Mode-Designer Yamamoto ein Workaholic

Tokio (dpa) - Eigentlich hasst er kurzlebige Mode - und doch ist Yohji Yamamoto einer der angesagtesten japanischen Modeschöpfer. Auch mit 70 Jahren denkt der weltberühmte Star-Designer und Workaholic nicht ans Aufhören.

In seinem Alter genießen andere längst den Ruhestand. Für Japans weltberühmten Mode-Designer Yohji Yamamoto, der am 3. Oktober 70 Jahre alt wird, ist die Vorstellung vom Rentnerleben, ja gar vom bloßen Urlaub machen, ein Graus. Dabei sei er eigentlich vom Typ her eher „faul“, sagte der Japaner unlängst seinem Freund Wim Wenders in einem Interview. Worauf der deutsche Regisseur, der Yamamoto 1989 in seiner Dokumentation „Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten“ porträtierte, scherzhaft entgegnete: „Für einen faulen Mann bist Du der schlimmste Workaholic, den ich kenne.“ Auch nach drei Jahrzehnten im Geschäft lautet Yamamotos Motto, bloß nicht langweilig zu werden.

Von der unermüdlichen Kreativität des Japaners konnten sich erst in diesem Jahr auch seine deutschen Fans wieder ein Bild machen. Bei einer Modenschau in der als neue Szeneadresse bekannten St. Agnes-Kirche in Berlin präsentierte der Star aus Fernost Kreationen seines Lebenswerks. Der Clou war ein Brautkleid mit eingebautem Basteleffekt: Aus Reißverschluss-Taschen zauberte ein Model Schuhe, Schleppe und den Brautstrauß. Die Kleidung, die Yamamoto entwirft, ist zeitlos und so weit vom Auf und Ab der gängigen Modezyklen entfernt, wie es nur geht. Nicht der Körper bestimmt seine Entwürfe, sondern die Form. Seine Modelle legen sich denn auch nicht wie eine zweite Haut um den Körper, sondern umhüllen ihn vielmehr.

Yamamotos neue Kreationen waren erst vor wenigen Tagen in Paris bei der Prêt-à-Porter-Woche der Damenmode für Frühjahr/Sommer 2014 zu sehen. Neben dem üblichen Schwarz und Braun zierten kräftiges Grün, Pink und Orange seine soft gewickelten Entwürfe. Die Mannequins erinnerten an Wesen aus einem Märchenwald.

Yamamoto drapiert, wickelt, schafft abstrakte, asymmetrische Silhouetten - und fordert damit die üblichen Sehgewohnheiten heraus. Seine Vorliebe gilt der Farbe Schwarz. Der Grund sei, dass seine Mutter Fumi nach dem Tod ihres Mannes im Krieg stets schwarz getragen habe. Sie war Schneiderin, doch schlug ihr Sohn nicht gleich den Weg des Designers ein, sondern studierte zunächst Jura. Erst nach 1966 entdeckte er seine Bestimmung als Modeschöpfer. 1968 bekam der junge Yamamoto wegen seiner außergewöhnlichen Begabung ein Stipendium in Paris, 1977 gründete er seine eigene Prêt-à-Porter-Marke und nur kurze Zeit später zeigte er in Tokio seine erste Kollektion. Defilees in Paris und New York folgten. Seit 1984 kreiert er auch Männermode.

Yamamotos erste Kollektion 1981 in Paris war eine Sensation - und löste einen Schock aus. Er und seine damalige Freundin Rei Kawakubo zeigten Kleidung, wie sie die Modewelt zuvor noch nie gesehen hatte. Dunkle, voluminöse und unförmige Mäntel mit riesigen, breitkrempigen Hüten versetzten das Establishment der Modewelt in Aufruhr. „Hiroshima-Chic“ sei die Kollektion, sie sehe wie eine „Atombombenexplosion“ aus. Ein Modejournalist bezeichnete sie gar als „suizidal“. Weil es ihm nicht um Schönheit und Glamour geht, sondern um Form, stellte er das europäische Modekonzept infrage. Seither ist sich Yamamoto, der sich selbst stets schwarz kleidet, treu geblieben.

Längst ist der 1943 geborene Yamamoto einer der anerkanntesten japanischen Modedesigner. Dabei hasst er eigentlich kurzlebige Mode. „Ich bin kein Modeschöpfer, ich bin ein Schneider“, lautet eines seiner bekannten Zitate. Mode hechele den Trends hinterher. Was er wolle, sei „zeitlose Eleganz“. Anfang 2000 entwarf Yamamoto mit dem Sportartikelhersteller Adidas die Kollektion Y-3. Seine Jogginghosen und Kapuzenjacken sind chic und elegant. Aber auch hier bestimmt nicht der Körper, sondern die Form. Für seine Kollektionen wurde er bereits mehrfach international ausgezeichnet.

2010 zeigte er erstmals seit 19 Jahren wieder eine Kollektion in Tokio. Japan habe sich in dieser Zeit sehr verändert, sagte er damals am Rande des Laufstegs im Yoyogi National Stadium der Deutschen Presse-Agentur. Die Modeszene werde von billiger Massenware dominiert, von „Fast Fashion“, wie er es formulierte. „Das ist etwas, was wir umkehren müssen, sonst verschwindet die Mode aus Japan.“ Yamamoto, dessen Unternehmen Yohji Yamamoto in Tokio 2009 Insolvenz anmelden musste und nach Übernahme durch eine japanische Investmentfirma umstrukturiert wurde, fühlt sich durch die Billig-Konkurrenz aber nicht bedroht. „Ich denke bloß: 'Geht zur Hölle'.“

Ans Aufhören denkt Yamamoto nicht. Er strebe stets nach „einer neuen Herausforderung“, sagte er im Gespräch mit seinem Freund Wenders. Er müsse sich selbst testen, „und wenn ich Fehler mache, ist das nicht wichtig“, meinte er. „Was für mich stattdessen zählt ist, meine Träume zu verwirklichen und sie zur Schau zu stellen“.

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