Analyse: Nicht jede Moschee entzweit

Warum es in Duisburg kaum Widerstand gab, in Köln hingegen die Wogen des Protests hoch schlugen.

Köln/Duisburg. Auf den ersten Blick haben die beiden Stadtteile viel gemeinsam: Hohe Arbeitslosenzahlen, der Migrantenanteil liegt bei über 25 Prozent, neben Deutschen prägen vor allem türkischstämmige Einwohner das Bild.

Und doch scheint zwischen Duisburg-Marxloh und Köln-Ehrenfeld ein eklatanter Unterschied zu bestehen: Während an der Ruhr der Bau einer Moschee bis zur Eröffnung im Oktober 2008 fast reibungslos verlief, regt sich am Rhein noch immer Widerstand gegen einen geplanten Neubau.

Wie erklärt sich die unterschiedliche Reaktion der Bevölkerung? Lag es an Schriftsteller Ralph Giordano, der sich in Köln in drastischer Form ("Die Integration ist gescheitert") in die Diskussion einmischte? Oder war die Hetze der rechtspopulistischen Partei "Pro Köln" letztlich schuld, dass das "Wunder von Marxloh" ("Der Spiegel") in Köln keine Wiederholung fand?

Keineswegs, auch wenn dies alles eine wichtige Rolle gespielt habe, räumt man selbst beim Bauherrn inzwischen ein. Mehmet Günet ist Baubeauftragter der Ditib (Türkisch-Islamische Union). Er bekennt freimütig: "Wir haben Fehler gemacht, keine Frage."

Für den Fraktionsvorsitzenden der CDU-Bezirksvertretung Ehrenfeld, Niklas Kienitz, liegt der eklatanteste klar auf der Hand: "In Marxloh hat man früh den Dialog gesucht, mit Anwohnern, Kirchen, Parteien und Vereinen. Das ist hier sehr spät passiert." Zudem habe es immer wieder widersprüchliche Angaben zur Größe des Baues gegeben.

Überhaupt die Größe. Ein fünfstöckiges Gebäude mit einer 35- Meter-Kuppel und zwei 55 Meter hohen Minaretten (in Duisburg liegen diese Maße 20 Meter darunter), das war der CDU eindeutig zu viel, vom befürchteten Verkehrschaos ganz abgesehen. Und so lehnten die Christdemokraten im Stadtrat den Neubau mehrheitlich ab.

Dass am Ende dennoch die Baugenehmigung erteilt wurde, lag an der breiten Zustimmung aller anderen demokratischen Parteien: "Die Moschee passt ins Bild", meint etwa Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD). Man bekenne sich zum Pluralismus im Viertel. Allerdings: Auch er habe die Infiltrierung der Menschen durch "Pro Köln" unterschätzt. "Wir alle hätten viel früher Aufklärungsarbeit leisten müssen."

Bei der Ditib hat man nach den massiven Protesten reagiert, wenngleich spät. Für den Neubau, der die bisherige Hinterhof-Moschee ersetzen soll, gibt es seit eineinhalb Jahren einen Beirat mit Vertretern aus allen Gesellschaftsschichten, es wurden Flugblätter verteilt und die Nachbarn zum Dialog eingeladen. Zudem wurde die Grundfläche der geplanten Gewerbefläche rund ums Gebetshaus um 4000 Quadratmeter reduziert, die Zahl der unterirdischen Autostellplätze auf 149 erhöht.

An der Höhe von Kuppel und Minaretten wird sich aber nichts ändern. "Diese richten sich rein nach der architektonischen Vorgabe", betont Ditib-Vertreter Günet. Der Kölner Architekt Paul Böhm habe eben keinen klassischen Moscheebau entworfen. Er sei modern, offen - und weltweit einmalig. "Ehrenfeld verdient etwas Besonderes."

Für Thomas M. Schmitt, Sozial- und Kulturgeograph von der Universität Bonn, der zu den Konflikten um die Errichtung und Nutzung von Moscheen in Deutschland promoviert hat, ist der wichtigste Grund, warum es in Marxloh im Gegensatz zu Ehrenfeld so ruhig blieb: Marxloh werde von der Bevölkerung nicht nur längst als türkischer Stadtteil wahrgenommen, "die Duisburger hatten ihre Diskussion bereits vor über zehn Jahren".

Damals wurde unter bundesweiter Beachtung darüber gestritten, ob der Muezzin die Gläubigen öffentlich zum Gebet rufen dürfe. Nach monatelangem Disput verzichteten die Moscheevereine auf ihr Anliegen. Derart geprägt haben die Verantwortlichen der Ditib in Marxloh von Anfang an offen über die Ängste und Bedenken der Menschen gesprochen. Schmitt zeigt sich von der Arbeit der Führungscrew vor Ort beeindruckt. "Diese ist in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit angekommen."

In Köln verdichteten sich nun an einem Objekt mehrere Debatten: Es gehe um Zuwanderung und Integration, generell um die Stellung des Islam in Deutschland. "Hier wird all das runter gebrochen und entzündet sich. Dadurch erklärt sich auch die Heftigkeit der Diskussion."

Für Schmitt stehen die Chancen auf eine Befriedung in Ehrenfeld gar nicht schlecht. Neben allen Protesten sei die überwältigende Mehrheit der Kölner für den Bau, das dürfe man nicht vergessen. Viele Nichtmuslime hätten als Reaktion auf die Proteste sogar für die Moschee demonstriert. "Auch das ist ein Novum. Wenngleich nicht jeder Demonstrant alles gut finden wird, was in der islamischen Welt passiert."

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