Analyse: Kindsmörder Gäfgen erwartet letztes Urteil

Der heute 35-Jährige will erreichen, dass der Prozess neu aufgerollt wird.

Straßburg. Es wird der letzte Richterspruch über dieFolterbeschwerde des Kindsmörders Magnus Gäfgen gegen Deutschland sein.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) urteilt am Dienstag inletzter Instanz über die Klage des heute 35-Jährigen, der im September2002 den Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler entführt undermordet hatte.

Gäfgen war bereits im Juni 2008 mit einer Beschwerde in Straßburggescheitert - und nach der Statistik weichen die Urteile der GroßenKammer nur selten von denjenigen der ersten Kammer ab. Sollten dieRichter jetzt dennoch der Beschwerde stattgeben, dann könnte derProzess gegen Gäfgen in Deutschland neu aufgerollt werden. Dies mussallerdings nicht sein: Der EGMR lässt den Staaten relativ viel Freiraumfür die Umsetzung der Urteile.

Wird das erste Urteil hingegen bestätigt, ist eine Wiederaufnahmedes Verfahrens ausgeschlossen. Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer willnicht spekulieren: "Ich kann nur mit Respekt diese höchstrichterlicheEntscheidung der europäischen Richter abwarten", sagt er. Für dieFamilie des ermordeten Jungen wäre es eine Erleichterung, wenn diesesäußerst schmerzliche Kapitel ein für alle Mal abgeschlossen würde.

Anwalt Heuchemer betrachtet es bereits als "großen Erfolg", dass dieGroße Kammer des EGMR sich überhaupt des Falles Gäfgen angenommen hat.Dies tun die Richter in der Regel nur dann, wenn die Fälle"grundlegende Aspekte der Menschenrechtskonvention" aufwerfen.

Im Fall Gäfgen geht es um die Erzwingung von Beweismitteln und dasabsolute Folterverbot. Die Polizei hatte damals Gäfgen mit Foltergedroht, falls er das Versteck des Jungen nicht preisgibt. Die Beamtenglaubten, der Junge sei noch am Leben, obwohl er schon längst tot war.Heuchemer argumentierte, dass die entscheidenden Beweise für dieVerurteilung Gäfgens durch die Folterdrohungen der Polizei erpresstworden seien. Das sei ein klarer Verstoß gegen das Folterverbot derEuropäischen Menschenrechtskonvention.

Dem widersprach die Bundesregierung: Gäfgen habe vor Gerichtgestanden. Die unter der Folter-androhung erlangten Erklärungen seienim Prozess nicht verwendet worden. Die Straßburger Richter befanden2008, dass Deutschland die Androhung von Folter wiedergutgemacht habe,unter anderem mit einem Prozess gegen den früheren FrankfurterVize-Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner, der die Drohung angeordnethatte. Daher dürfe sich Gäfgen nicht mehr als Folteropfer darstellen.

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