Nach Flutkatastrophe Altenahr schlägt in offenem Brief an Merkel und Dreyer Alarm

Mit einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsidentin Malu Dreyer fordern Betroffene im Ahrtal mehr Hilfen. Die bisherige Unterstützung reiche einfach nicht aus.

 Viele Bereiche in Altenahr sind völlig zerstört worden.

Viele Bereiche in Altenahr sind völlig zerstört worden.

Foto: dpa/Boris Roessler

Das Ausmaß der Zerstörung erfordere mehr Hilfen und Unterstützung. Das machen die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr und zahlreiche Ortsbürgermeister der von der Flutkatastrophe betroffenen Gemeinden im Ahrtal in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, deutlich. Sie fordern unter anderem von der Bundesregierung die Einsetzung eines Sonderbeauftragten „für den Wiederaufbau“ des Ahrtals.

Es folgen neun Punkte mit Maßnahmen, die notwendig seien. Unter anderem eine „kurzfristige Perspektive“ für Strom, Wasser, Abwasser und Heizung. Das gelte auch für die Instandsetzung von Straßen und Zugverbindungen. Auch viele Schulen und Kitas seien weitgehend zerstört, Krankenhäuser kaum einsatzbereit. „Eine klare Vorstellung einer guten Notversorgung muss schnell aufgezeigt werden“, heißt es in dem offenen Brief weiter, der auch auf die Sicherheitsmaßnahmen in der Zukunft eingeht. Eine „zeitliche Warnung“ habe es dieses Mal oft nicht gegeben - „mit tödlichen Folgen für weit über 100 Menschen. Das darf sich nicht wiederholen!“, heißt es weiter. Es brauche ein „verlässliches, differenziertes Frühwarnsystem und einen „geübten Katastrophenschutz“.

Die bisherige Unterstützung durch Freiwillige und Spenden sei überwältigend, es brauche nun aber mehr Unterstützung. Ein geplanter Sonderfonds werde begrüßt.

Der Bund will nach der Flutkatastrophe vor allem im Westen Deutschlands die Insolvenzantragspflicht für Firmen aussetzen. Das kündigte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Dienstag in Schleiden in der Eifel an. Einen entsprechenden Beschluss wolle das Kabinett am Mittwoch fassen. In der Corona-Krise war die Insolvenzantragspflicht ebenfalls ausgesetzt worden, um damit Firmen zu helfen.

Scholz betonte erneut, für den Wiederaufbau sei eine gemeinsame nationale Anstrengung nötig. Der Bund werde Soforthilfen aufstocken, falls nötig. „Es soll am Geld nicht scheitern.“ Der Vizekanzler machte erneut deutlich, dass der Wiederaufbau mehr als sechs Milliarden Euro kosten werde. In etwa diese Summe sei bisher für die Wiederaufbauarbeiten nach der letzten großen Hochwasserkatastrophe im Jahre 2013 ausgegeben worden.

Der Wiederaufbau könne sofort losgehen, es gebe die Möglichkeit, die Mittel sofort „bewegbar“ zu machen. Dort, wo Bundesinfrastruktur wie Autobahnen oder Schienen zerstört seien, werde der Bund diese auf eigene Rechnung reparieren.

Scholz machte einen Rundgang durch den von der Flut getroffenen Ort Schleiden und schaute sich Schäden an. Er sprach unter anderem mit THW-Mitarbeitern, Ladenbesitzern und einem Fachberater für psychosoziale Notfallversorgung. An einer Stelle rief eine Frau ihm hinterher: „Herr Scholz, wo ist denn Herr Laschet?“ Sie rief weiter: „Und wer übernimmt die Verantwortung für die ganzen Toten hier? Frauen, Kinder, Babys, wer übernimmt die Verantwortung?“ Ansonsten gab es aber keine Zwischenrufe oder Vorwürfe.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) war am Montag bei einem Besuch im Hochwassergebiet von Swisttal bei Bonn von Leidtragenden der Flutkatastrophe massiv kritisiert worden. Beim Gang des Kanzlerkandidaten der Union durch die zerstörten Straßen entlud sich zweieinhalb Wochen nach den Unwettern mit Dutzenden Toten, der Ärger vieler Anwohner über immer noch fehlende Hilfe.

Scholz war zum dritten Mal in einem Katastrophengebiet. Mitte Juli hatte er seinen Urlaub unterbrochen und das stark betroffene Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz besucht. Wenige Tage später reiste er ins bayerische Hochwassergebiet und fuhr nach Schönau am Königssee.

(red/dpa)
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