Campus Wuppertal Zusammen lachen übers Scheitern

Arrenberg. · Fehler machen, um dann besser zu werden: Die erste „Fuck-Up-Night“ füllte einen Abend mit Geschichten vom Versagen.

 Lars Heidemann erzählte zahlreichen Studenten am Arrenberg von seinen Lehren aus dem Scheitern: Ressourcen müsse man selbst besitzen und sich nicht von Stolz und Ego leiten lassen.

Lars Heidemann erzählte zahlreichen Studenten am Arrenberg von seinen Lehren aus dem Scheitern: Ressourcen müsse man selbst besitzen und sich nicht von Stolz und Ego leiten lassen.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Wissenstest versemmelt, die Homepage aus der Hand gegeben, Fixkosten, die das Wachstum fressen: Es sind fatale Fehler, von denen an der Bärenstraße am Arrenberg zu hören war. Doch von Tristesse keine Spur: Schier barst der Saal von Jugend und guter Laune, denn „Freiraum“ hatte zu Wuppertals erster „Fuck Up Night“ geladen. Eine paradoxe Veranstaltung.

Scheitern ist das Thema, mit dem der rabiate Titel lockt – mit internationalem Vorbild. 2012 kamen in Mexiko laut Moderator Gürdal Kilic erstmals Menschen zusammen und erzählten vor Publikum von ihren Niederlagen: „Die ewig positiven Stories aus der Start-Up-Szene nerven doch.“ Nun also knüpfte der „Freiraum“ an, das Innovationslabor der Bergischen Universität. Hier treffen sich Studierende zum kostenlosen „Coworking“, zum Werken und Netzwerken. Auch gibt es Workshops und Expertenrat für Gründer, für Menschen, die im Studium Unternehmen gründen.

Schnell wurde klar: Auch „Fuck Up“ soll fördern. Die Zuschauer sollten sich nicht an Unglück weiden, sondern Warnungen mitnehmen. Bei Lars Heidemann waren es zwei, die erste: „Ressourcen müssen euch gehören.“ Sein Betrieb war daran gegangen, das Mac-Betriebssystem in Deutschland zu etablieren. Nicht etwa über die Ambition schien das letztendlich zu stolpern, sondern durchs Zerbrechen des Teams: Einer stieg aus und nahm die Rechte an der Homepage mit. Drei Monate nicht im Netz: Tödlich. Seinen Fehler damals sah Heidemann bei sturen Verhandlungen über einen Vergleich – daher sein zweiter Rat: „Ego und Stolz sind die schlechtesten Lehrmeister.“

Selbstkritik oder Koketterie? Daniel Banken gab ein Beispiel dafür, offensive Ehrlichkeit zum Vorteil zu münzen. „Dummheit“, so brachte der knackige Redner sein eigenes Fehlverhalten auf den Punkt. Einst wollte er Fußballtrainer werden, so sein einnehmender Bericht, der auch etwas Einblick in die permanente Kontrolle gab, der Unparteiische sich demnach zu stellen haben: „Eine falsch gegebene Karte kostet dich ein Spiel.“ Einen wichtigen Wissenstest habe er dann nicht ernst genommen und sei prompt durchgefallen. Warum diese Geschichte? „Ich glaube, sie gibt den größten Mehrwert fürs Publikum.“

Erst scheitern, um dann
doch Fuß zu fassen

Hanna Jensen hatte sich mit einer nachhaltigen Idee selbstständig gemacht: Das Prinzip Sharing, von Autos bekannt, war damals nach ihrem Eindruck für E-Bikes noch schwach vertreten. Erste Ernüchterung habe sie bei der Suche nach Krediten erlebt: „Wir dachten: Kann ja nur gut gehen. ... Das war nicht so.“ Letztlich habe man sich verzettelt und zu perfekt sein wollen. Beim Feilen am idealen Prototyp für geeignete Bikes sei so viel Energie verbraucht worden, dass sie ausstieg. Fuß gefasst hat sie dennoch im Sektor E-Mobilität, mit der Episode hat sie offenbar ihren Frieden gemacht.

Keineswegs kokett, vielmehr angreifbar schließlich der Auftritt von Peter Witt. Der BWL-Professor an der Bergischen Uni unterrichtete selbst angehende Unternehmer, wobei er privat einst als Gründer gescheitert war. Erwartbar daher, kritische Rückmeldungen vom Publikum zu ernten, die er gelassen parierte: „Die Studenten sind wesentlich erfolgreicher als die Lehrenden.“ Was freilich nicht jeden überzeugte: „Ich war enttäuscht“, meinte nachher auf Nachfrage Lev Nazarov, einst Student Witts, der in der Fragerunde bemerkt hatte, ob dessen Scheitern wohl an der Doppelrolle als Dozent und Gründer lag. Er hätte sich ein Bekenntnis gewünscht, dass dies halbherzig und letztlich Ursache für das Aus gewesen sei.

Paradox an der „Fuck Up Night“ war unterm Strich weniger der Befund, dass Scheitern zum Magneten taugt. Ambivalent schien vielmehr, dass es ja trotz allem um „Big Business“ geht: Bei allem koketten Augenzwinkern bewegt das Format sich ganz in der Denkwelt ökonomischen Aufstiegs. Zu modernen Start-Up-Erzählungen bietet diese Pannen-Parade keineswegs ein Gegenbild, sondern führt sie mit smartem Augenzwinkern weiter. Groß, reich und mächtig werden soll man selbstverständlich, ist die Message – nur vielleicht etwas später.

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