Offen gesagt Gespött der Feuilletonisten

Wuppertal · Das Tanztheater Wuppertal ist die aktuelle Skandalnudel der Stadt.

Zum Intendantenstreit in Wuppertal: Gespött der Feuilletonisten
Foto: Schwartz, Anna (as)

Zwei Trainer auf der Gehaltsliste, einen Funktionsträger geschasst, der aber noch Geld bekommt, durch die Mannschaft zieht sich ein tiefer Graben, Verunsicherung aller Orten, und die Nation rätselt, wie sich soviel Dilettantismus auf so wenige Menschen konzentrieren kann. Nein, diesmal ist die Rede nicht vom Wuppertaler Sportverein. Der schwebt trotz eines Minietats derzeit auf Wolke 7 durch die Regionalliga. Ein Start nach Maß, halbwegs Ruhe in Vorstand und Verwaltungsrat. Es scheint, als hätten die allermeisten verstanden, dass der für Wuppertal so wichtige Verein nun wirklich seine letzte Chance hat, durch Seriosität und Vernunft den Weg zurück in den Profifußball zu finden - wenn dieser Weg auch steinig ist und lang.

Die aktuelle Skandalnudel ist also nicht der ruhmreiche und schlagzeilenträchtige WSV. Diese Rolle hat jetzt das Tanztheater übernommen. Am Dienstag setzte es vor dem Arbeitsgericht in Düsseldorf wieder ein paar saftige Ohrfeigen. Es geht immer noch um den Trennungsstreit mit der Intendantin Adolphe Binder. Es geht um Geld, um Reputation, vor allem aber geht es um Wuppertal. Dass der Richter in Düsseldorf die Parteien zwischen den Zeilen mahnte, sorgsam mit dem Erbe von Pina Bausch umzugehen, lässt tief blicken. Es ist nicht üblich, dass jemand in dieser Funktion sich derart in die Seele schauen lässt. Umso dankbarer sollten alle Wuppertaler und alle Freunde des Tanztheaters sein, dass Alexander Schneider genau das tat. Denn es steht auf des Messers Schneide mit dem Ruf der Compagnie und mit dem Werk der großen Choreographin. Von diesem guten Ruf hängt nicht zuletzt ab, ob das Tanztheater jemals sein neues Zentrum an der Kluse in Wuppertal bekommt. Denn an dessen Folgekosten muss sich neben dem Land auch der Bund beteiligen. Der ziert sich. Und mit jedem neuen Akt in der peinlichen Seifenoper um Adolphe Binder liefert Wuppertal ihm dafür gute Gründe.

Es ist deshalb allerhöchste Zeit, dass irgendwer dem grausigen Spiel ein Ende macht. Koste es, was es wolle. Denn genau darauf läuft es hinaus. Vermutlich wird auch Adolphe Binder nicht wirklich damit rechnen, dass sie je wieder im Tanztheater arbeiten kann. Wie soll das nach diesem Zwist auch funktionieren? Aber diese Erkenntnis macht den Frieden nur noch teurer. Die gut 500 000 Euro, die im Haushalt für die Streiterei zurückgestellt worden sein sollen, werden vermutlich nicht reichen. Die Intendantin wird mehr wollen. Das kann ihr niemand verdenken, weil die Geschichte in Wuppertal es ihr kaum möglich macht, jemals wieder in eine ähnliche Funktion zu kommen.

Umso mehr drängen sich Fragen auf: Wer im Rathaus vergibt hochdotierte Fünfjahres-Verträge, die Kündigungen nicht vorsehen? Wer schneidet Arbeitsgebiete so zu, dass Zusammenarbeit nicht funktionieren kann? Wer bestimmt die Höhe der Einkünfte? Wer kontrolliert das Vertragswerk und denjenigen, der es sich ausdenkt, bevor alle Beteiligten es unterschreiben?

Die Fälle Abredderis, Binder und Paschalis erwecken den Eindruck, dass im Rathaus die linke Hand nicht mehr weiß, was die rechte tut. Und das ist teuer. Obendrein scheinen die Stadträte ihren Aufgaben nicht gerecht zu werden. Eigentlich haben sie die Stadtverwaltung zu führen. In Wuppertal ist das offenbar umgekehrt. Anders ist die unangenehme Häufung kapitaler Fehlentscheidungen in Personalfragen kaum zu erklären.

Die Folge all dessen beschrieb Richter Schneider in der Verhandlung am Dienstag treffend. „Es tut mir in der Seele weh, dass das Aushängeschild Wuppertals dermaßen leidet“, sagte er. Und mehr noch. Auf der Straße wird bereits gewitzelt, dass im Zuge der Digitalisierung künftig in den Verkehrsampeln mehr Intelligenz stecke als im Rathaus. Das haben weder Wuppertal noch die Beschäftigten der Stadtverwaltung verdient. Wie will der Oberbürgermeister Motivation fördern angesichts von Intendantinnen und abberufenen Dezernenten, die für Nichtstun von der Stadt Wuppertal sehr viel Geld bekommen.

Deshalb darf sich die zu häufig amateurhaft anmutende Personalauswahl im Rathaus nicht wiederholen. Für solche Aufgaben gibt es Profis. Die kosten zwar auch Geld, sind aber trotzdem viel preisgünstiger. Sie führen in aller Regel nämlich dazu, dass Arbeitsverhältnisse länger dauern und nicht vorzeitig unter kostspieligem Getöse aufgelöst werden. Außerdem hörte Wuppertal dann endlich auf, sich zum Gespött der Feuilletonisten zu machen.

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