Gastbeitrag : „Zu Weihnachten werden keine Reisegruppen in Jerusalem sein“
Wuppertal/Jerusalem Der Wuppertaler Joachim Lenz ist Propst in der heiligen Stadt. Wo sonst Touristen und Gläubige aus aller Welt sind, ist es in diesem Jahr stiller.
Seit dem 1. August ist der rheinische Pfarrer und gebürtige Wuppertaler Joachim Lenz (59) Propst in Jerusalem. Das Heilige Land ist zur Weihnachtszeit normalerweise beliebtes Reiseziel christlicher Pilgerinnen und Pilger aus aller Welt. Aber coronabedingt gilt in Israel derzeit ein Einreiseverbot für alle ausländischen Reisenden; das Land steuert bereits auf die dritte Welle zu. Ein Gespräch über einen ungewöhnlichen Amtsantritt, Feiertagsplanungen in Jerusalem und den Transport von Weihnachtswünschen nach Bethlehem.
Herr Lenz, wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihren Amtsantritt ausgewirkt?
Joachim Lenz: Ich bin schon seit fünf Monaten im Land und habe in meiner Kirche noch kein einziges Mal gepredigt. In Israel sind zu Gottesdiensten in Kirchen nur zehn Personen zugelassen. Im Innenhof der Propstei können wir wenigstens mit 20 Menschen feiern. Ich hatte mich vor meiner Anreise auf viele Menschen eingestellt, denn an normalen Sonntagen sind zumindest im Frühjahr und Herbst 200, 300, manchmal auch 400 Gäste in der Erlöserkirche, darunter Gemeinde- und Reisegruppen, auch Einzelreisende, Pilger und Freiwillige. Stattdessen musste ich nach meiner Ankunft im Juli erst einmal zwei Wochen in Quarantäne und danach war im August kaum jemand in Jerusalem. Corona plus Ferienzeit plus Hitzewelle hatten zur Folge, dass ich nur eine ganz kleine Gemeinde angetroffen habe.
Mit welchen Corona-Besonderheiten planen Sie für das Weihnachtsfest?
Lenz: An den Feiertagen werden wir draußen im Innenhof der Propstei eine Reihe kleiner Gottesdienste anbieten. Zu Weihnachten werden noch keine Reisegruppen in der Stadt sein. Auch die israelischen Juden, die in den vergangenen Jahren in der Erlöserkirche einfach mal einen deutschen Weihnachtsgottesdienst erleben wollten, werden diesmal nicht kommen. Damit aber niemand vergeblich aus Tel Aviv anreist, habe ich mich sogar in das Anmeldesystem der rheinischen Kirche eingeklinkt, das funktioniert dann auch hier. Am zweiten Weihnachtstag laden wir abends zu Christmas Carols im Kreuzgang ein, wo an jedem Bogen der oberen Stockwerke eine Familie stehen und mit Maske in den Innenhof singen kann.
Und in Bethlehem?
Lenz: In der lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem gibt es Heiligabend um 16 Uhr MEZ noch einen dreisprachigen Gottesdienst, der aber nur von 40 Gästen besucht werden kann und daher zusätzlich live gestreamt wird. Es gab auch immer Menschen, die von Jerusalem nach Bethlehem gewandert sind und dort am Gottesdienst teilgenommen haben. Die Benediktiner der Dormitio-Abtei auf dem Berg Zion sammeln daher jetzt per Mail und Internet Wünsche und Gebetsanliegen, um sie am Heiligen Abend nach Bethlehem in die Geburtskirche mitzunehmen. Denn auch das gemeinsame Wandern in einer größeren Gruppe ist ja derzeit nicht möglich.
„Tochter Zion“ ist ein beliebtes Adventslied. Packt Sie beim Hören dieser Metapher für Jerusalem manchmal der Gedanke „Und ich bin jetzt hier!“?