offen gesagt Zeit aufzuräumen

In Wuppertals Rathaus und in den städtischen Tochtergesellschaften läuft derzeit einiges nicht sonderlich rund. Das dürfte angesichts des Schwebebahndesasters und der Mauerposse eigentlich selbst an der Spitze dieser Stadt niemand anzweifeln.

Das gilt auch in Wahlkampfzeiten, in denen jeder Kandidat, jeder Amtsträger naturgemäß nur von seinen Schokoladenseiten spricht. Es gibt einfach zu viel, das den Wuppertalerinnen und Wuppertalern die Laune verhagelt.

Umso ärgerlicher ist, dass sich Donnerstag der Ältestenrat mit einem anscheinend irrlichternden Beamten im Rathaus beschäftigen musste. Es ging wieder einmal um tatsächlich nicht formvollendete Einladungen zu Ratssitzungen in der Stadthalle. Dort hatte tatsächlich jemand versäumt, dem Veranstaltungsort, Stadthalle, Großer Saal, die Postleitzahl und die Straße hinzuzufügen. Nun weiß zwar jeder Wuppertaler, wo die Stadthalle ist, aber der Leiter des Rechtsamtes war der Meinung, auch einmal etwas zum Alltag im Rathaus beitragen zu müssen. Also bemängelte er die Einladungen, stellte in den Raum, dass Entscheidungen des Gremiums in der Stadthalle juristisch angefochten werden könnten – und hielt den Betrieb auf. Denn erst musste der neue Rechtsdezernent im Rathaus, Arno Minas, die Sache prüfen, dann musste der etwa 15-köpfige Ältestenrat zusammentreten – um zu entscheiden, dass alles bleibt wie es ist, auch wenn ein gewisses Restrisiko besteht.

Nun ist Aufmerksamkeit im Amt eine sehr gute Eigenschaft. Aber sie ist nicht zu verwechseln mit Kleinkariertheit oder mit der Lust, Sand ins Getriebe zu streuen. Genau das geschieht jedoch, wenn sich eine Stadtverwaltung, die in Teilen ohnehin schon nicht funktioniert, mit so einem Unfug beschäftigen muss.

So viel Aufmerksamkeit wäre hingegen prima gewesen, als die Stadtwerke sich ins Abenteuer Schwebebahnneubau stürzten, sie wäre hilfreich gewesen, als irgendein Amateur meinte, am Döppersberg mauern üben zu müssen, und sie hätte geholfen, als am Klingelholl ein Neubau buchstäblich ins Salz gesetzt worden ist. All das kostet Millionen von Euro, es kostet Zeit und Reputation. Umso schlimmer, dass es derlei Beispiele viele weitere gibt. Die Kontrolle des Haushaltes der Bühnen ist so eines, wo im vergangenen Jahr plötzlich eine Lücke von 750 000 Euro klaffte, manche Personalentscheidung hätte ebenfalls professioneller und damit deutlich kostengünstiger getroffen werden können.

Schade, dass es in all diesen Fällen keinen Mahner gab, zuständigkeitshalber natürlich auch nicht aus dem Rechtsamt. Dessen Leiter allerdings hat mit der Adressenposse eindrucksvoll bewiesen, dass er Leistung im öffentlichen Dienst mit Erbsenzählen verwechselt. Das kann sich eine Stadt mit mehr als zwei Milliarden Euro Schulden, mit elf Prozent Arbeitslosenquote, mit 32 000 Unterbeschäftigten und 60 000 Hartz-IV-Haushalten aber überhaupt nicht leisten.

Deshalb ist es eine lobende Erwähnung wert, dass wenigstens die CDU in ihrem Wahlprogramm in Betracht zieht, öffentliche Ämter mit einem gewissen Maß an Verantwortung zu verbinden. Denn wenn sich weiter alle besser bezahlten Vorgesetzten hinter ihren schlechter bezahlten Mitarbeitern verstecken können, dann wird sich im Wuppertaler Rathaus und in den städtischen Tochtergesellschaften überhaupt nichts zum Besseren wenden.

Anscheinend ist einiges im Durcheinander im Rathaus von Wuppertal. Deshalb ist es höchste Zeit aufzuräumen. Schluss mit Erbsenzählerei, Schluss mit Verstecken hinter Mitarbeitern, Schluss mit „wir haben keine Leute“ oder „wir haben kein Geld“. Dienst hat mit Leistung zu tun. Und Führung heißt, Verantwortung zu übernehmen. Damit verbunden ist auch, unangenehme Entscheidungen zu treffen.

In jedem normalen Unternehmen könnten ein Chef und sein Rechtsberater auf dieser Basis nicht mehr zusammenarbeiten. Und im öffentlichen Dienst? Hier bewahrt das Beamtenrecht Minderleister vor dem Allerschlimmsten. Aber im Keller Aktendeckel zu polieren, ist auch schon schlimm genug – und richtet deutlich weniger Schaden an.

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