Analyse Zahl der Wohnungseinbrüche hat sich in Zeiten von Corona fast halbiert

Weniger Einbrüche, gleich viele Taschendiebstähle, mehr Kriminalität über Computer und Telefon. Die Polizei zieht eine Bilanz - und ist verwundert über die Unfallzahlen.

 In der Corona-Zeit gibt es weniger Einbrüche - die Einbrecher finden eben seltener verlassene Wohnungen vor.

In der Corona-Zeit gibt es weniger Einbrüche - die Einbrecher finden eben seltener verlassene Wohnungen vor.

Foto: ja/dpa-tmn

Die Corona-Krise hat seit Mitte März alles verändert - auch die Kriminalität. Das geht jetzt aus Zahlen hervor, die die Wuppertaler Polizei auf Anfrage erstmals der WZ zur Verfügung gestellt hat. Einige Punkte aus der Statistik überraschen nicht: Vorne stehen da die Wohnungseinbrüche. Die Zahl hat sich in der heißen Corona-Phase zwischen März und Mai im Vergleich zum Vergleichszeitraum 2019 fast halbiert, so dass die Polizei nur noch knapp über 50 Fälle in diesem Zeitraum registrierte. Polizeisprecher Stefan Weitkämper erläutert: „Es waren mehr Leute zu Hause. Etwa tagsüber im Home-Office.“ Das allein habe dazu geführt, dass sich den Kriminellen einfach weniger Gelegenheiten geboten haben, unbemerkt in ein Haus einzusteigen.

Interessanter ist da die Betrachtung der Raubdelikte, bei denen die Zahl im Jahresvergleich des Zeitraums März bis Mai unverändert bei knapp über 60 geblieben ist, und bei den Taschendiebstählen, bei denen die Fallzahlen von knapp über 250 auf knapp unter 250 nur leicht zurückgegangen sind. Ein bemerkenswerter Effekt, weil gerade März bis Mai an vielen Tagen die Straßen wie ausgestorben waren. „Die Zahl der Taschendiebstähle müsste eigentlich deutlich niedriger sein“, sagt Weitkämper. Denn normalerweise spielen sich diese Delikte in überfüllten Fußgängerzonen oder beim Gedränge vor dem Bus ab.

Beschaffungskriminialität
kennt keine Krisenzeiten

Ein Interpretations-Ansatz wäre: Es gibt immer ein gewisses Grundrauschen an Straßenkriminalität, auch wenn die Gelegenheiten abnehmen. Das wird plausibel wenn man sich vor Augen führt, dass beispielsweise Beschaffungskriminalität oftmals an die unmittelbaren Nöte der Täter geknüpft ist. Zwischen März und Mai standen viele Bereiche des täglichen Lebens still - Drogensucht macht jedoch keine Pause. Und für Abhängige und andere Menschen in prekären Lebenssituationen verschärfte Corona noch den Leidensdruck, weil legale Einkünfte wie etwa Arbeitsgelegenheiten und Jobs mit Mindestlohn mit einem Schlag weggefallen sind, wie die WZ aus dem Café Cosa erfuhr. In der Lockdown-Phase der Krise war nicht einmal mehr das Betteln in der Fußgängerzone eine Option.

Kriminalität ist in der Coronazeit nicht verschwunden - sie hat ein anderes Gesicht angenommen. Eine große Befürchtung war ein Anstieg der häuslichen Gewalt. Auf dem Papier sind die Zahlen jedoch zurückgegangen - sogar um ein Drittel auf rund 200 Fälle im Vergleichszeitraum.

Alles friedlicher daheim in Corona-Zeiten? Oder ist nur die Hemmschwelle für die Opfer häuslicher Gewalt größer geworden, aus dem vermeintlich geschützten Rahmen der häuslichen Gemeinschaft nach Hilfe zu rufen? Aus dem Wuppertaler Frauenhaus erfuhr die WZ im April, dass die Betroffenen in der Corona-Zeit die Belastungssituation länger aushalten und eine mögliche Trennung nach hinten schieben. Wenige wollten während des Lockdowns ins Frauenhaus fliehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer bei der häuslichen Gewalt angestiegen ist.

Die Zahl der gemeldeten Ruhestörungen nahm zu

Dass es mehr nachbarschaftliche Konflikte gab, darauf deutet die gestiegene Zahl der gemeldeten Ruhestörungen hin. Mehr Menschen waren zu Hause, das bot mehr Potenzial für Störungen.

Die Polizei in Wuppertal hatte während des Corona-Lockdowns insgesamt nicht weniger zu tun. Die Kriminalität ist nicht verschwunden, sie hat nur neue Formen angenommen. Das zeigt sich etwa bei einem Anstieg der Cyberkriminalität. Wer es zynisch ausdrücken möchte, könnte sagen: Auch die Kriminellen haben „Home-Office“ gemacht. Im April verlor eine Wuppertaler Seniorin 10 000 Euro an einen Betrüger am Telefon. Die neue Variante: Der Corona-Enkeltrick. Es gab mehrere weitere Versuche in Wuppertal. Den Opfern wird erzählt, dass der Enkel mit Corona im Krankenhaus liegt und dringend Geld für die Behandlung benötigt. Die 71-jährige Wuppertalerin warf die Tasche mit dem Geld aus dem Fenster in die Hände eines angeblichen Klinik-Mitarbeiters.

Ein weiteres Kriminalitätsfeld, das es auch vorher gab, aber durch Corona einen Aufschwung erfahren hat, sind Sprengattacken auf Geldautomaten. Im ersten Halbjahr 2020 schlugen Täter bereits 106 Mal in NRW zu, so das Landeskriminalamt in Düsseldorf. Damit ist die Gesamtzahl von 104 Attacken in 2019 überschritten. Im März und April kam es im Bergischen Städtedreieck innerhalb kürzester Zeit zu einer Serie von Taten. In Wuppertal wurde unter anderem bei der Deutschen Bank an der Lüttringhauser Straße oder in der Sparkasse an der Hahnerberger Straße gesprengt. Vor wenigen Tagen war im niederländischen De Hoorn ein mutmaßlicher Geldautomatensprenger festgenommen worden. Er wird verdächtigt, im vergangenen Jahr unter anderem in Wuppertal tätig gewesen zu sein.

Eine Veränderung letztendlich kann sich die Polizei selbst nicht erklären: In der Corona-Zeit ist die Zahl der Autounfälle in Wuppertal gestiegen. Eine mögliche Interpretation: Weil kaum noch Betrieb auf den Straße war, konnte schneller gefahren werden.

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