Zähne weg, Lappen weg - Gericht verhandelt über Fahrverbot

Warum sich ein Autofahrer gegen ein einmonatiges Fahrverbot zur Wehr setzt.

Wuppertal. Mehr als 50 Jahre war Günter K. (Name von der Redaktion geändert) unfallfrei im Straßenverkehr unterwegs. Seine Karteikarte in Flensburg: seit langer Zeit blütenweiß — bis zum 7. April dieses Jahres. Da wurde K. an der Kreuzung Südstraße / Viehhofstraße geblitzt. Günter K. war bei Rot gefahren. Die Folge ist gesetzlich geregelt: Wer länger als eine Sekunde nach dem Umschalten einer Ampel auf Rot fährt, bekommt ein 200-Euro-Knöllchen, vier Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot.

Doch im Fall K. ist womöglich alles anders. Der Wuppertaler hat Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt — wegen der „besonderen Umstände“, wie sein Rechtsanwalt Peter Scharf sagt.

Die Geschichte beginnt am 6. April um 14.20 Uhr. Auf einer Fahrt durch Wuppertal stellt K. fest, dass sich sein Zahnersatz in Form einer Brücke im Unterkiefer gelöst hat.

Kurzerhand nimmt der Wuppertaler die Brücke aus dem Mund und legt sie auf den Lüftungsschacht seines Renault. Eine fatale Entscheidung: Denn mit der nächsten Lenkbewegung verschwinden die Zähne im Lüftungsschacht. 40 Minuten später steht K. in der Kfz-Werkstatt seines Vertrauens und erklärt dem erstaunten Chef die Sachlage. Der fängt umgehend an zu schrauben und gibt wenig später auf. Die Brücke sei für ihn unerreichbar, da müsse eine Renault-Werkstatt ran. Günter K. zahlt 59 Euro und notiert enttäuscht in sein Prothesen-Tagebuch: „Zum Abendbrot nur Suppe.“

7. April 2011, 8 Uhr: K. in der Renault-Werkstatt. Die Diagnose dort: Um an die Zähne des Kunden heranzukommen, muss das Armaturenbrett komplett ausgebaut werden. K. notiert: „Auftrag erteilt.“ Kosten der Operation: 250 Euro.

Um 14.30 Uhr holt er seinen Wagen und die freigelegte Brücke ab. Letztere setzt er sich postwendend ein, fährt los, ganz langsam, maximal mit Tempo 40. Vor und hinter ihm ist niemand. K. schaut in den Rückspiegel, will sich vergewissern, dass die Brücke tatsächlich wieder richtig sitzt. Er freut sich: „Endlich kann ich wieder feste Nahrung zu mir nehmen.“ Auf der Kreuzung blitzt es zweimal. Keine Frage: K. hat die rote Ampel übersehen. Nächste Woche wird das Amtsgericht entscheiden, ob er um ein einmonatiges Fahrverbot herumkommt. Rechtsanwalt Scharf: „Mein Mandat ist aufs Fahren angewiesen.“ Das Bußgeld werde er selbstverständlich zahlen, inklusive Werkstattkosten macht das 500 Euro. Bleibt zu hoffen, dass sich Justitia an dem Fall nicht die Zähne ausbeißt.

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