Perspektiven „Nur weil wir Ausländer sind“

Serie | Wuppertal · Yousif Ali will Unterhaltungen auf Augenhöhe führen.

 Yousif Ali setzt sich mit Alltagsrassismus in Wuppertal auseinander.

Yousif Ali setzt sich mit Alltagsrassismus in Wuppertal auseinander.

Foto: ja/Ali

Oft werde ich mit der Situation konfrontiert, dass Diskriminierung und Vorurteile nicht nur von Einheimischen kommen, sondern auch von Migranten selbst.

Kürzlich war ich mit einem Familienmitglied einkaufen und wir standen an der Kasse an. Dort wurden wir aufgefordert, den Mindestabstand zum Kunden vor uns einzuhalten. Wir waren zwar wirklich nur ein bisschen über die Markierung getreten, Fakt ist jedoch: Wir waren über der Linie. „So viele in der Schlange missachten die Regelungen, aber genau wir wurden angesprochen. Bestimmt nur, weil wir Ausländer sind“, sagte mein Verwandter zu mir. Ich erwiderte: „Ich bezweifle, dass er einen persönlichen Groll gegenüber uns hat. Wir waren eben über der Linie und er hat uns darauf hingewiesen. Nicht mehr, nicht weniger.“ Mein Verwandter sah das anders: „Er hat das nur gesagt, weil er denkt, dass wir dumm sind, weil wir Ausländer sind.“

Die Diskussion ging dann noch weiter. Worauf ich hinaus möchte ist etwas, was mir persönlich sehr schwer auf dem Herzen liegt. Seien es Benotungen, Bewerbungsprozesse oder soziale Interaktionen: Migranten schlüpfen viel zu oft und viel zu schnell in die Opferrolle. Zu oft wird der Satz „Nur weil wir Ausländer sind“ als eine Ausrede genutzt, damit eigene schwache Leistungen oder Qualifikationen in den Hintergrund gerückt werden. Das ist traurig. Ich weiß das so genau, weil ich damals in der Schule von dieser Ausrede selbst Gebrauch gemacht habe, um der Rechtfertigung vor meinen Eltern zu entfliehen.

Von der einen Seite höre und lese ich oft, dass „man ja nichts mehr sagen kann, sonst wird man direkt als rechtsextrem abgestempelt“, und von der anderen Seite kommt „nur weil ich Ausländer/schwarz bin“. Beide Seiten spielen Opfer und Täter zugleich. Man muss sich aber fragen: Woher kommt diese Einstellung? Diskriminierung und Rassismus sind keine Einbahnstraße. Es ist ein Teufelskreis, denn ist man einmal Opfer von Diskriminierung und Rassismus, dann steckt man selbst ganz schnell andere in eine Schublade. Es wird geerntet, was gesät wurde.

Welche Seite nun die Schuld für den Teufelskreis trägt, ist keinen Gedanken wert. Wir sind hier nicht im Kindergarten. Es liegt aber in unserer Verantwortung, den Kreis zu brechen, indem wir in Zukunft weder Täter noch Opfer spielen, sondern anfangen, uns auf Augenhöhe zu unterhalten.

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