Kultur Wenn Künstlerinnen inspirieren

Wuppertal · Philine Berger (16) aus Wuppertal gewann den ersten Preis in ihrer Altersgruppe und den Förderpreis Clara Schumann.

 Die Pianistin Philine Berger aus Wuppertal (16) gewann den Clara Schumann Förderpreis.

Die Pianistin Philine Berger aus Wuppertal (16) gewann den Clara Schumann Förderpreis.

Foto: Lyonel Berger

Die Haare zur Hälfte nach oben zusammengebunden sitzt sie beinahe kerzengerade vor dem Steingraeber & Söhne Flügel. Atmet einmal tief ein und schon gleiten ihre Finger für die nächsten elf Minuten elegant über die schwarzen und weißen Tasten. Langsam schaukelt ihr Oberkörper im Takt dazu. Eine perfekte Aufnahme für den perfekten Anlass: Philine Berger (16) gewann mit ihrer aufgezeichneten Interpretation der Variation in Opus 20 über ein Thema von Robert Schumann nicht nur den ersten Preis in ihrer Altersgruppe, sondern auch einen Förderpreis im 2. Leipziger Clara Schumann-Wettbewerb für junge Pianisten und Pianistinnen der Neuen Leipziger Chopin-Gesellschaft.

„Es war tatsächlich so, dass ich eigentlich mit nichts gerechnet hatte, weil mir erstmal, als ich am Wettbewerb teilgenommen habe, überhaupt nicht bewusst war, wie groß der Wettbewerb ist“, erklärt sie einige Wochen später lachend. Sie habe sich relativ kurzfristig entschlossen, teilzunehmen, zumal es eine neue Herausforderung für sie war, ein Video aufzunehmen und einzuschicken. Ein persönliches Vorspiel im Clara-Schumann-Haus in Leipzig war dieses Jahr coronabedingt nicht möglich gewesen.

Die Preisverleihung fand
in diesem Jahr digital statt

So fand auch die Preisverleihung ausschließlich im Virtuellen statt. „Ich habe auch meinen Eltern und meinem Bruder erst nicht gesagt, dass ich mir die Preisverleihung online anschaue“, sagt Berger. Dort teilte einer der Juroren mit, dass Philine Berger aus Wuppertal den Clara Schumann Förderpreis gewonnen habe und ganz nebenbei auch noch den ersten Preis in ihrer Altersgruppe. „Der Förderpreis war nochmal bedeutsamer für mich, weil mir die Musik von Clara Schumann so wichtig ist“, erklärt Berger. Und weil eine Urur-Urenkelin von Clara Schumann in der Jury saß.

Ein Video einzuschicken sei für die junge Pianistin kein Problem gewesen. Aber eine neue und wichtige Erfahrung. „Das, was der Vorteil am Video ist, ist gleichzeitig auch der Nachteil“, beschreibt sie den Aufnahmeprozess. Es gebe unendlich viele Möglichkeiten – aber dann müsse man auch genauer hinschauen. Es muss so perfekt wie möglich sein. Qualitätsmikrofone für die Aufnahme habe sie netterweise von der Musikschule gestellt bekommen, so auch den großen Konzertsaal.

Mit knapp fünf Jahren den ersten Musikunterricht, mit 16 Abiturientin und Schülerin der Talentakademie bei Timon Landen. „Musik war sehr präsent in unserem Haus, aber nicht unbedingt klassische Musik“, erinnert sie sich an ihre Kindheit, „Mein Opa hat früher viel Saxofon gespielt.“ Kaum konnte sie laufen, habe sie den Klassiksender am Radio entdeckt, sei wieder und wieder zum Radio gelaufen und habe ihn eingeschaltet. Die Tante habe Elektroklavier gespielt und ihr einige Stücke beigebracht. Ihre Laufbahn als Pianistin begann allerdings mit dem Jazz-Klavier. Bis ein Lehrer sie fragte, ob sie nicht mal etwas Anderes ausprobieren wollte. So spielte sie auch noch in ihrem ersten Jahr an der Musikschule in Wuppertal das Jazz-Klavier. Bei Echo-Preisträgerin Tamara Scheps. Dann bei Robert Boden. Der fragte, ob sie das Klavier nicht vielleicht studieren wollte. „Da ist mir erst klargeworden, dass man das ja wirklich studieren kann“, sagt Berger. Bis dahin habe es eben Spaß gemacht, sie habe einfach gespielt, über ein Studium nie nachgedacht. Doch der kleine Funke dieser Idee breitete sich unverzüglich in ihr aus. Und dann ging alles ganz schnell: Berger wurde in die Talentakademie der Bergischen Musikschule aufgenommen zur studienvorbereitenden Ausbildung (SVA). Hier lernt sie auch das Cello-Spiel. Und nun bewirbt sie sich tatsächlich für ein Studium, hat viele Aufnahmeprüfungen im Blick – auch außerhalb von Deutschland. Doch wo genau, möchte sie noch nicht mitteilen. Das wüssten nur ihre Eltern und der Bruder. „Ich möchte nicht unbedingt total berühmt werden“, erklärt Berger. Aber das Unterrichten könnte sie sich schon in Zukunft vorstellen. Da sei Timon Landen als junger Lehrer ein großes Vorbild.

Täglich übt Berger bis zu
acht Stunden am Tag

Wenn sie sich auf einen Auftritt, eine Aufnahmeprüfung, vorbereitet, übt Berger bis zu acht Stunden am Tag. An anderen Tagen etwas weniger. Und wenn sie mal nicht Klavier spielt, dann liest sie gerne, schaut Filme und Serien auf Netflix oder hört Musik. Nicht nur Klassisches oder Jazz. Sondern Billie Eilish und Anderson Paak. Dabei interessieren sie vor allem die Texte. Wenn sie sich ein Konzert aussuchen dürfte, dass sie besuchen dürfte, dann würde Berger gerne bei einem Live-Auftritt der US-amerikanischen Sängerin Billie Eilish dabei sein. Berger, nur ein paar Jahre jünger als die Pop-Ikone, findet die Sängerin und ihre Person herausstechend. Es motiviere sie, junge, erfolgreiche Leute zu sehen. Der Inhalt der Texte spreche sie an, vor allem das Lied „My Future“ („Meine Zukunft“). Wie Eilish, könne Berger es kaum erwarten ihre Zukunft – welche im Lied als feminin dargestellt wird – zu treffen.

Einen feministischen Ansatz erkennt man auch in Bergers Klavier-Karriere. So finde sie es sehr wichtig, dass man weibliche Komponistinnen spielt. Da habe es natürlich nicht nur Clara Schumann gegeben, aber sie sei die Bekannteste. Und da letztes Jahr ihr 200. Geburtstag gefeiert wurde, habe Berger unbedingt ein Stück von ihr spielen wollen. Das Stück für den Wettbewerb habe sie in knapp drei Monaten gelernt.

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