Wuppertaler Weihnachtswunder

Kolumnist Uwe Becker träumt von einem Halbbruder für Jesus.

Wuppertaler Weihnachtswunder
Foto: Joachim Schmitz

Mein Lieblingsstand auf dem weihnachtlichen Lichtermarkt in Elberfeld befindet sich an der Herzogstraße, Ecke Wirmhof. Dort steht jedes Jahr ein teilnahmslos dreinblickender Mann an seinem Grill und röstet Maronen. Jedes Mal, wenn ich dort bin, kaufe ich ihm aus Mitleid zwei Tüten ab und stecke sie in meine Manteltaschen. Die noch heißen Esskastanien wärmen meine Hände. Wenn sie ihre Heizkraft verloren haben, lege ich sie beim Spaziergang auf der Hardt an einem Kastanienbaum ab. Oft kommt dann gleich ein Eichhörnchen angesprungen und knabbert an ihnen.

Als gelernter Bürokaufmann wundere ich mich, wie man mit dem Verkauf von gerösteten Maronen die hohe Standmiete bezahlen kann. Aber Weihnachten ist ja auch voller Wunder. Wenn eine Jungfrau Jesus das Leben schenkte, warum soll man dann nicht mit dem Verkauf von Maronen über die Runden kommen?

Begrabt mein

Herz in Wuppertal

In der Weihnachtszeit habe ich auch einen stets wiederkehrenden Traum: Die junge Wuppertalerin Lisa A. ist hochschwanger. Der Vater ist jedoch nicht ihr Freund David B., sondern der Heilige Geist. Am Morgen des 24. Dezember befiehlt Oberbürgermeister Andreas Mucke, dass sich alle Bürger umgehend zwecks Volkszählung auf dem Rathausvorplatz zu Barmen einfinden müssen. Lisa und David fahren mit der Schwebebahn bis zum Alten Markt. Als bei Lisa plötzlich die Wehen einsetzen, nehmen sie ein Taxi zum Petrus-Krankenhaus, wo ihnen aber die Aufnahme verweigert wird, weil beide noch nicht gezählt wurden.

In ihrer Not irrt das junge Paar durch die Innenstadt, über ihnen die leuchtenden Lichterkugeln. Nur im Barmer Brauhaus gewährt man ihnen Unterschlupf. Der Wirt geleitet sie in den Vorratskeller, und wenige Minuten später liegt der Halbbruder von Jesus in einer mit Servietten und Geschirrtüchern gepolsterten leeren Weinkiste.

Die Eltern geben dem Kind den Namen Paul-Jesus. Der Kleine wächst und entwickelt sich prächtig. Beim Baby-Schwimmen läuft er zwar über das Wasser, aber das irritiert keine der anderen Mütter. Wuppertal ist schließlich nicht ohne Grund die Stadt mit den meisten Sekten in Deutschland.

In seiner Grundschule auf dem Ölberg verwandelt Paul-Jesus bereits am zweiten Tag die von den Müttern liebevoll und gesund geschmierten Pausenbrote aller Kinder in feurige Chili-Burger mit Pommes. Die türkischen Kinder bekommen einen Döner mit allem. Da die Erstklässler sowas gerne jeden Tag essen wollen, bleiben sie verschwiegen, und so erfährt die Schulleitung nichts von diesem Wunder.

Als Paul-Jesus zehn Jahre alt ist, melden ihn seine Eltern am katholischen St. Anna-Gymnasium an. Auf der höheren Schule hält sich der heranwachsende Knabe mit der Vollbringung von Wundern zurück. Sein Abitur besteht er mit der Note 1. Alle anderen in der Klasse auch, was dann allerdings schon ein Wunder ist.

Paul-Jesus beginnt danach eine Ausbildung zum Schreiner und spezialisiert sich später auf den Bau von Krippen, die er deutschlandweit auf Weihnachtsmärkten verkauft.

Die spätere Ehe mit seiner früheren Klassenkameradin Marie-Katharina bleibt kinderlos und wird zeitnah geschieden. Paul-Jesus’ Argument gegen Kinder konnte seine Frau nicht verstehen, und es war natürlich auch zu verrückt: „Gott will keine Enkel!“

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