Interview „Dauerwahlkampf ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können“

Interview Unirektor Lambert T. Koch über die Gründung eines Wirtschaftsbeirates.

Lambert T. Koch.

Lambert T. Koch.

Foto: anna schwartz

In welcher Weise begleitet die Bergische Universität heute die Entwicklung der Städte Wuppertal, Remscheid und Solingen? Ist sie mehr Beobachter oder nimmt sie an der Entwicklung aktiv teil?

Lambert T. Koch: Die Bergische Universität war noch nie in ihrer Geschichte so aktiv in die Entwicklung des bergischen Städtedreiecks eingebunden. Zahlreiche ihrer Mitglieder – Mitarbeitende und Studierende – engagieren sich in Projekten der Energiewende, der neuen Mobilität, Digitalisierung sowie sozialen und ökologischen Stadtentwicklung oder bereichern das kulturelle Leben mit ihrem Einsatz. Dabei tragen viele von ihnen, zusammen mit verschiedensten regionalen Partnern, in ganz erheblichem Maße zur Einwerbung von EU- und Bundesgeldern bei. Allein für 2017/18 sprechen wir insgesamt von einem zweistelligen Millionenbetrag, der auf diese Weise in die Städte fließt.

In welchen Hochschuldisziplinen spielt regionale Wirtschaftsentwicklung eine Rolle?

Koch: Vor allem in den Bereichen Ökonomie, Politikwissenschaft, Bildung und Erziehung, Stadt-, Landschafts- und Verkehrsplanung, Abfall- und Wasserwirtschaft sowie regenerative Energiesysteme und Mobilität, aber zunehmend, nachvollziehbarerweise, auch im Bereich Digitalisierung.

Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke hat die Gründung eines Wirtschaftsbeirates angeregt. Ist so etwas sinnvoll?

Koch: Mitglieder der Bergischen Universität haben schon Bundeskanzler, Bundes- und Landesministerien, diverse Parteien oder eben auch bergische CDU- und SPD-Oberbürgermeister beraten. Das macht immer dann Sinn, wenn es (a) keiner der Seiten um persönliche Profilierung geht, wenn es sich (b) um Experten mit Sinn für politische Realitäten handelt und – ganz besonders wichtig – wenn (c) die Ratsuchenden diese Hilfe auch annehmen. Je weniger beratungsresistent ein politischer Mandatsträger ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er erfolgreiche Entscheidungen trifft.

Muss so ein Beirat Ihrer Meinung nach Beschlüsse fassen oder verbindliche Empfehlungen aussprechen können?

Koch: Da gibt es völlig verschiedene Ansätze, je nachdem, wie ein Gremium im politischen System aufgehängt ist. Grundsätzlich gilt, je weniger formal seine Struktur definiert und je geringer die Bindungswirkung von Empfehlungen ist, desto unkomplizierter lässt sich ein Beirat einrichten. Je nach dem ist eine Bundeskanzlerin, ein Minister oder ein Oberbürgermeister dann weitgehend frei in seiner oder ihrer Entscheidung.

Wie müsste so ein Beirat zusammengesetzt sein? Nur Wissenschaftler und der OB oder auch Politiker und Verwaltungsleute?

Koch: Das hängt natürlich vom Thema ab. Vielen Wissenschaftlern hilft es aber, wenn sie schon in ihren Beratungen durch Vertreter der Praxis darauf hingewiesen werden, was z.B. schlicht aus gesetzlichen oder finanziellen Gründen nicht realisierbar sein dürfte. Aber auch umgekehrt wundern sich Politiker und Verwaltungsleute nicht selten, was dann doch möglich ist, wenn man mal Experten ran lässt. In unserer hochkomplexen und von raschem Wandel geprägten Moderne werden jedenfalls solche partizipativen Politikansätze immer wichtiger.

Stünden Sie als Hochschulrektor und Volkswirt für so einen Beirat zur Verfügung?

Koch: Ich bin in viel zu vielen Gremien, Kuratorien und Beiräten vertreten. Schon jetzt sehe ich meine Frau angesichts der zahlreichen Abendtermine deutlich zu selten.

Verstehen Sie, dass die CDU im Stadtrat Kritik an einem möglichen Wissenschaftsbeirat geübt hat und ihn für einen „Experten-Stammtisch“ hält?

Koch: Damit hat man, wie von vielen Seiten an mich herangetragen wurde, viele ehrenamtlich Engagierte in diversen Beiräten – nicht nur von Bergischer Uni und Wuppertal Institut – sehr verletzt. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es sich hierbei um eine allgemeine Position der CDU handelt. Da war einfach jemand übereifrig und es tut ihm mittlerweile leid. Vielleicht hatte man irrtümlicherweise gedacht, es wäre klug, jetzt schon den Wahlkampf zu eröffnen. Dabei weiß die große Mehrheit in allen wichtigen Wuppertaler Parteien, dass ein fast zweijähriger Wahlkampf viele entscheidende Projekte und Entwicklungen gefährden würde. Dauerwahlkampf ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können und den die Bürgerinnen und Bürger nicht haben wollen.

Sollte der Oberbürgermeister den Beirat trotzdem einrichten oder ist politischer Widerstand in dieser Sache ein K.o.-Kriterium?

Koch: Herr Mucke hat mich in dieser Sache nicht um Rat gefragt. Allgemein, und das wird er auch wissen, macht es in solchen Dingen aber Sinn, möglichst viele mitzunehmen, weil dann am Ende die resultierenden Empfehlungen und Entscheidungen leichter umsetzbar sind.

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