Campus Wuppertal Terrassenhäuser als vielfältige Forschungsobjekte

Uta Gelbke von der Bergischen Uni hat Wuppertaler Beispiele für die besonderen Bauten erforscht.

 Auch in Wuppertal gibt es Beispiele für sogenannte Terrassenhäuser.

Auch in Wuppertal gibt es Beispiele für sogenannte Terrassenhäuser.

Foto: Uni/Uni W

In den 1960er Jahren waren sie die neue Wohnform schlechthin: Terrassenhäuser. Es gibt sie auf der ganzen Welt und in Wuppertal. Uta Gelbke, Architektin am Lehrstuhl Bauen mit Bestand und Baukonstruktion von Prof. Georg Giebeler an der Bergischen Universität Wuppertal, beschäftigt sich unter anderem mit der Geschichte von Terrassenhäusern.

„Das terrassierte Wohnen ist eine Entwicklung in der Geschichte der Architektur. Solche stufenförmigen Konstruktionen kann man bis ins Altertum zurückverfolgen“, erklärt die gebürtige Berlinerin und verweist dabei auf die ägyptischen Pyramiden oder den Turmbau zu Babel. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerät diese Architektur wieder mehr ins Bewusstsein renommierter Architekten wie Adolf Loos oder Le Corbusier, die sich mit der Möglichkeit terrassierter Wohnbebauung beschäftigen und erste Entwürfe erstellen. „In den 1920er Jahren setzt dann zum Beispiel Henri Sauvage in Paris schon Wohnhäuser mit stufenförmig zurückspringender Fassade um“, weiß Gelbke.

Die Wohnungsnot der Nachkriegszeit war der eigentliche Impuls zur Errichtung terrassierter Bauten, deren Umsetzung zunächst in der Schweiz erfolgte. Als Blütezeit der Terrassenhäuser in der Bundesrepublik gelten die Jahre zwischen 1965 und 1980. „Man hat viel Potenzial in dieser Gebäudetypologie gesehen: für das Wohnen ebenso wie für den Städtebau.“

Ein Umbauprojekt, für das die Architektin verantwortlich war, führte zu der Idee, ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Wohnen im Hügel – Terrassenhäuser der 1960er und 70er Jahre als Bau- und Wohnform“ für die Uni-Lehre anzubieten. Den Fokus ihrer Untersuchungen legte sie dabei auf die Freiflächen, die Grundrissgliederung und die Bewohner. Es zeigten sich einige Menschen, die teilweise seit Fertigstellung des Baus 1970 dort wohnten. „Das lässt vermuten, dass es eine hohe Wohnqualität gibt, die auch in verschiedenen Lebensphasen so zufriedenstellend ist, dass sie nicht unbedingt einen Umzug erfordert. Und in den Recherchen im Rahmen des Projektes an der Universität hat sich das stichprobenartig bestätigt.“

Warum sich Terrassenhäuser nicht flächendeckend durchgesetzt haben, liegt nach Gelbkes Meinung unter anderem an den Kosten für aufwändigere Erdarbeiten, der Statik und der Installationsführung, die bei Hanghäusern nicht in geraden Schächten verläuft. Hinzu kommt die geometrisch komplexe Gebäudehülle, die bauphysikalisch sicher ausgeführt werden muss. Angesichts gestiegener Anforderungen an Wärme- und Feuchteschutz wurde das zunehmend schwieriger und stellt heute nach 50 Jahren Gebäudebestand auch eine große Herausforderung in der Sanierung dar.

Wuppertaler Beispiele zeigen das große Spektrum der Bauform

„In Wuppertal findet man Terrassenhäuser, die sehr gut das breite Spektrum der Bauten zeigen“, erzählt Gelbke. „Das Projekt an der Nützenberger Straße liegt an einem Hang, der so vorher nicht bebaubar war. Man sieht die Nachbarbebauung: Konventionelle Mehrgeschosser, die auf unterschiedlichen Niveaus beginnen und im Prinzip vor dem Hang stehen, während das Terrassenhaus in seiner Kubatur diesem steilen Hang folgt. Dadurch entstehen die typischen Terrassen an der Südseite, und diese sind nicht überdacht. Es fällt mehr Licht in den Wohnraum.“

Ein weiteres Wuppertaler Beispiel seien die Terrassenhäuser in den Birken. Die am Stadtrand gelegene Wohnanlage habe im Unterschied zur Nützenberger Straße einen viel flacheren Hang, tiefere Terrassen und doppelt so große Wohnungen. „Beide Projekte zeigen das breite Spektrum der Gebäudetypen. Lage und Wohnungsgröße sprechen eine unterschiedliche Klientel an. Aber die grundlegenden Qualitäten, die Verknüpfung von Innen- und Außenraum auf gleicher Geschossebene, das ist bei beiden Beispielen gleich.“

Mit einer kleinen Gruppe von sechs Studierenden begann Uta Gelbke die Recherche und Dokumentation am Lehrstuhl in Wuppertal. „Wir haben jetzt rund hundert Projekte erfasst und kategorisiert“, berichtet sie, „40 davon haben wir auch vor Ort besichtigt, dokumentiert und sind in Teams quer durch Deutschland gereist.“ Die Informationen zu den bundesweit existierenden Bauten erhielt das Team aus Büchern und Fachzeitschriften der damaligen Zeit, aus Werkverzeichnissen von Architekten, aus aktuellen Immobilienportfolios, von Bauämtern und Hausverwaltungen sowie über Hinweise von Kollegen und von Google Earth.

Auch wenn der Bau von Terrassenhäusern heute sehr kostspielig ist, weiß Gelbke doch wunderbare, internationale Beispiele, die eine Renaissance dieser Architekturprojekte erhoffen lassen. „Es gibt namhafte Architekten, die sich aktuell damit befasst haben: sei es als Ideenentwurf, wie zum Beispiel die Wohnüberbauung der denkmalgeschützten Paketposthalle in München von den Architekten Allmann Sattler Wappner, oder gebaute Projekte, wie das Wohnhaus Klencke in Amsterdam und der Mountain in Kopenhagen. Das sind alles Projekte großer Architekturbüros.“

„Man möchte beim Wohnen gerne die eierlegende Wollmilchsau“, sagt Gelbke lachend. „Das kann man gerade heute, wo Eigentum so teuer geworden ist und sich die meisten Menschen im Leben nur einmal eine Immobilie leisten werden, gut verstehen. Es soll perfekt sein. Und ich denke schon, dass das Terrassenhaus dahingehend immer noch relevant ist und wieder Aufmerksamkeit bekommt.“

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