Stadtgeschichte Dem Ja-Wort gehen 30 Jahre Streit voraus

Wuppertal · Vor 90 Jahren wurde der Zusammenschluss zur Großstadt Barmen-Elberfeld vom Landtag angeordnet. Zuvor hatten die Elberfelder und Barmer drei erfolglose Anläufe zur Gründung Wuppertals unternommen.

 Elberfelder und Barmer haben bis vor ihrem Zusammenschluss drei erfolglose Versuche zur Gründung Wuppertals unternommen.

Elberfelder und Barmer haben bis vor ihrem Zusammenschluss drei erfolglose Versuche zur Gründung Wuppertals unternommen.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Der 1. August 1929 ist der offizielle Geburtstag der Stadt Wuppertal. 90 Jahre wird die Stadt in diesem Jahr alt, auch wenn die Taufe auf den Namen Wuppertal erst am 25. Januar 1930 erfolgte. Doch was sind schon 90 Jahre? 120, 101 oder 94 Jahre könnte die bergische Metropole bereits zählen, wenn die Zuneigung der Nachbarstädte zu Kaisers Zeiten und in den Wirren von Revolution und Weimarer Republik größer gewesen wäre.

Die Elberfelder und Barmer bauten die Schwebebahn, doch das Ja-Wort wollten sie sich selbst 30 Jahre nach diesem gemeinschaftlichen Jahrhundertprojekt nicht geben. Dreimal war das Aufgebot schon bestellt, aber dreimal brach ein Sturm der Empörung im Tal der Wupper aus. Und wahrscheinlich würden die Wuppertaler noch heute Elberfelder und Barmer sein, wenn sie nicht durch das „Notgesetz vom 27. Dezember 1927 über die kommunalen Grenzveränderungen im industriellen Westen“ zum Zusammenschluss gezwungen worden wären.

Doch zurück zu den Anfängen einer schier unendlichen Verlobungszeit, über deren Windungen und Wendungen sich ganz Deutschland zuweilen köstlich amüsierte. Denn die Vertreter beider Städte lieferten immer wieder bemerkenswerte Beispiele, dass es für Streitigkeiten und Eifersüchteleien unter Nachbarn selten nur einen einzigen Grund gibt. Und tatsächlich waren es in dem einen Fall die Elberfelder und in dem anderen die Barmer, die den Zusammenschluss platzen ließen.

Der erste Versuch stand unter keinem guten Stern

1899 stand der erste Versuch unter keinem guten Stern, denn der Düsseldorfer Regierungspräsident von Rheinbaben wollte die beiden Städte zu ihrem Glück zwingen. Die Gelegenheit erschien günstig, denn der Elberfelder Oberbürgermeister Geheimrat Jaeger war gestorben. Elberfeld hatte keinen Oberbürgermeister, dafür aber ein repräsentatives Rathaus, das anlässlich des Besuchs von Kaiser Wilhelm II. gebaut worden war. Doch über die Frage des Amtssitzes des Oberbürgermeisters und des Tagungsortes der Stadtverordneten ließ sich keine Einigkeit erzielen. Der Plan wurde von den Barmern als „enorme Schädigung der Barmer Interessen“ abgelehnt. Der Kompromissvorschlag des Regierungspräsidenten sah vor, den Barmer Oberbürgermeister zum Oberhaupt der Wupper-Metropole zu machen und für die ersten zehn Jahre den Amtssitz zum Neumarkt zu verlegen, um dann neu zu verhandeln. Doch mittlerweile brodelte es in der Bevölkerung in beiden Lagern und in den Stadtverordnetenversammlungen knickten die Politiker aus Furcht vor der Volkesstimme ein.

Der zweite Anlauf war aus der Not geboren und wurde kurz vor dem Ende des ersten Weltkriegs von der Handelskammer angestoßen, die sich unter einheitlicher Leitung wesentliche Ersparnisse und damit höhere wirtschaftliche und kulturelle Leistungen von der vereinigten Großstadt erhoffte. In einer Sitzung der Stadtverordneten am 10. Mai 1918 wurde deutlich, dass sich in den bergischen Dickschädeln zu diesem Thema 18 Jahre lang wenig bewegt hatte. Die Welt in der alten Ordnung mochte am Abgrund stehen, aber Elberfeld und Barmen bewegten sich nicht aufeinander zu. Die Deutschnationalen führten das Lager der Ablehnung an, die Sozialdemokraten hielten nur halbherzig dagegen. Und so beendete wieder einmal der Streit um den Amtssitz das kurze Werben.

Im Anschluss an die Inflationsjahre brachte die Handelskammer 1925 mit stärkeren Argumenten das Thema wieder auf die Tagesordnung. Inzwischen hatten das Handelszentrum Elberfeld und das von der Industrie geprägte Barmen die Konkurrenz von Düsseldorf, Köln und Essen zu spüren bekommen. Im Tal der Wupper lebten zwar rund 360 000 Einwohner in zwei wirtschaftlich und kulturell bedeutenden Großstädten, da es aber an einem Zentrum fehlte, geriet das Wupper-Duo ins Hintertreffen. Der dritte Plan sah vor, den Hauptsitz der Verwaltung im Neuen Rathaus in Barmen (das musste noch gebaut werden ) anzusiedeln. Bis wenigstens 1960 sollte der Oberbürgermeister dort regieren, im Elberfelder Rathaus aber ebenfalls ein Amtszimmer erhalten. Schon vor den offiziellen Verhandlungen gingen die Fachverbände, Bürgervereine, politischen Parteien, Stammtische und Klubs auf die Barrikaden. Anfang Dezember 1925 schrieb der Barmer Oberbürgermeister einen Brief an seinen Elberfelder Kollegen und blies die Verhandlungen ab.

1928 verfügte die Preußische Regierung im Landtag über die erforderliche Mehrheit, um das Aufgebot für Wuppertal zu bestellen. Das Barmer Handwerk protestierte. Von einer „Vergewaltigung der Mehrheit der Barmer Bevölkerung“ war die Rede. Das „Sonntagsblatt“ hatte andere Bedenken: „Je größer die Stadt, um so größer die sittlich-religiöse Not“. Die Stadtverordneten wussten, dass mehr auf dem Spiel stand, denn jetzt ging es nicht mehr nur um Elberfeld und Barmen, sondern auch um die Eingemeindung von Vohwinkel, Cronenberg und Ronsdorf und aus den umliegenden Landkreisen von Teilen von Hardenberg-Neviges, Wülfrath, Schöller, Gruiten, Haan, Gräfrath, Lüttringhausen, Beyenburg und Gennebreck. In der Summe standen am Ende rund 15000 Hektar mit 415000 Seelen unter dem Strich. Zum kommissarischen Oberbürgermeister wurde der Barmer Oberbürgermeister Dr. Paul Hartmann bestimmt. Sein Stellvertreter war der Elberfelder Oberbürgermeister Max Kirschbaum.
Ende gut, alles gut? Das erste Geschenk verteilte die Reichspost in Gestalt verbilligter Postgebühren, denn von nun an waren die Ronsdorfer, Beyenburger, Cronenberger, Vohwinkeler, Elberfelder und Barmer eine Stadt, die sich gemäß Paragraf 34 des Neugliederungsgesetzes „Barmen-Elberfeld“ nannte. Die Barmer hatten 190 000 Seelen und 3764 Hektar eingebracht, die Elberfelder steuerten lediglich 173 000 Seelen und 3167 Hektar bei.

Der Kampf um den Namen der Stadt beginnt

Der Kampf um den Namen der Stadt begann, der durch den gleichzeitigen Wahlkampf für die allgemeinen Kommunal- und Provinziallandtagswahlen und die Stadtverordnetenversammlung am 17. November 1929 angeheizt wurde. In einer Wahlversammlung der Deutschnationalen löste Rechtsanwalt Dr. Wesenfeld Heiterkeit aus, als er erklärte: „Und wenn ein Engel vom Himmel käme, er könnte Wuppertal nicht regieren, wenn er vorher Oberbürgermeister von Barmen oder Elberfeld gewesen wäre“.

Die historische Sitzung zur Stadtgründung fand am 20. Dezember 1929 im Elberfelder Rathaus unter Aufsicht berittener Schutzpolizisten statt, denn kommunistische Blätter hatten im Vorfeld Proteste angekündigt. Die fanden dann im Ratssaal statt. Nach drei Minuten wurde die Sitzung erstmals unterbrochen, weil der kommunistische Abgeordnete Nellessen eine Debatte über angebliche Schiebungen bei der Berg. Elektrizitäts-Versorgungs GmbH anzetteln wollte.

Mit Gewalt soll Nellessen aus dem Saal entfernt werden, Parteigenossen springen ihm bei. Das war nur das Vorspiel einer turbulenten Sitzung. Fünfmal wird die Sitzung abgebrochen, dann kann die Oberbürgermeisterwahl beginnen. „Habemus papam“, schreibt der Generalanzeiger, als der Barmer Oberbürgermeister Paul Hartmann mit 39 Stimmen die absolute Mehrheit vor Max Kirschbaum (20) erhält. Bei der Namensgebung haben sich die Vorschläge Wuppertal und Wupperstadt schon im Vorfeld gegen Alternativen wie Barmen-Elberfeld, Elberfeld-Barmen, Barmenelb, Elbbarmen, Barmen-Elberfeld-Vohwinkel, Wupperberg, Wupperhausen, Talberg, Großwupp, Bergland, Barmerfeld oder Hungerstadt durchgesetzt. Die überwältigende Mehrheit der Stimmen entfällt auf Wuppertal. Am 26. Januar 1930 wird die Namensnennung vom Preußischen Innenministerium über den Regierungspräsidenten genehmigt. Am 27. Januar erscheint diese Zeitung erstmals unter dem neuen Titel „Generalanzeiger der Stadt Wuppertal“.

Dass an der Haspeler Brücke Grenzbalken abgebaut werden mussten, war nicht erforderlich. Über alle Grenzen, die so lange in den Köpfen der Menschen existierten, schwebte nunmehr schon seit 30 Jahren tagaus, tagein das Wuppertaler Wahrzeichen hinweg.

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