Politik SPD auf der Suche nach sich selbst

Wohin geht es mit der Partei? Wann löst die Zeit des Aufbruchs die Zeit des Jammerns ab?

 Birgit Hipp, Heiner Fragemann, Sebastian Hartmann und Helge Lindh (v.l.).

Birgit Hipp, Heiner Fragemann, Sebastian Hartmann und Helge Lindh (v.l.).

Foto: Stefan Fries/Fries, Stefan (fri)

Soll niemand sagen, dass sie es nicht versucht. Nein, das kann der SPD keiner vorwerfen. Es gibt schon keine TV-Couch mehr, auf der die Partei nicht gelegen hätte, Philosophen und Politologen beschäftigt die Frage, wie es kommen konnte, wie es kam, und wo der Ausgang ist, hinter welcher Tür sich das sozialdemokratische Paradies eröffnet.

Die SPD ist nicht allein, auch in Wuppertal nicht. Es spricht für die Sehnsucht der Genossen nach der guten alten Tante SPD, dass am Donnerstagabend so viele den Weg in die Citykirche am Kirchplatz in Elberfeld gefunden haben. Dorthin hatte der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh Genossen und Freunde eingeladen, um mit seinem Bundestagskollegen und noch neuen Landeschef der SPD, Sebastian Hartmann, sowie dessen Wuppertaler Pendant, Heiner Fragemann, über die Zukunft der ältesten Partei Deutschlands zu beraten. „Wir sind mehr geworden“, sagte Fragemann und verwies auf die gestiegenen Mitgliederzahlen auch nach dem verpufften Schulzeffekt.

Doch die steigende Zahl der Parteibücher steht in einem bedenklichen Missverhältnis zur Zahl der Stimmen bei Wahlen. Der Trend kennt nur eine Richtung: abwärts. Wie schlimm die Lage für die SPD ist, machte zuletzt der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach deutlich, als er seiner Sorge um die Sozialdemokraten Ausdruck verlieh.

Das ist die Höchststrafe, aber dennoch nichts, was den neuen Landesvorsitzenden der SPD aus der Fassung zu bringen scheint. Die Frage nach der Zukunft seiner Partei beantwortet Sebastian Hartmann (41) selbstbewusst mit Rezepten aus der Vergangenheit. Zurück zu den Wurzeln, Kümmern um das, was die Menschen bekümmert. „Dass wir wieder über den starken Sozialstaat reden, ist ein Verdienst der SPD“, sagt er. Sein Ziel sei es, die Themen der Menschen in der Mitte der Politik zu positionieren.

Dabei geht es um bezahlbaren Wohnraum, um ein besseres Bildungsangebot, sieben Milliarden Euro soll das Land dafür zusätzlich ausgeben. Die Geldquelle ist klar: Wenn alle, auch die großen internationalen Konzerne, ihrer Steuerpflicht nachkommen, sind genügend Mittel verfügbar. „Wir wollen keine Talentschulen wie die Landesregierung. Wir wollen, dass alle Schulen auch Talentschulen sind.“ Es sei ein Fehler gewesen, den Grünen das Thema sieben Jahr lang überlassen zu haben.

Eigentlich sollte die globale Entwicklung, sollten kapitalistische Auswüchse und grassierender Nationalismus, Armut, Flüchtlingsströme und Zukunftsängste gute Zeiten für eine Partei sein, die einst für die Schwachen und die Arbeiter stritt. Doch die Realität zeichnet ein anderes Bild. Ausgesogen von bürgerlichen Grünen und rechtskonservativen Nationalisten taumelt die SPD der Bedeutungslosigkeit entgegen. Von Volkspartei ist sie derzeit weit entfernt, auch wenn Hartmann seiner Partei für NRW das Gegenteil bescheinigt.

Die SPD soll klein denken,
aber nicht kleinlich

Brigitte Hipp leitet die evangelische Altenhilfe im Langerfelder Bornscheuerhaus. Sie bezeichnet sich selbst als „radikal, aber gesellschaftsfähig“. So war die SPD auch einmal, so will sie wieder sein. Wie das funktionieren könnte? „Die SPD muss im Quartier denken“, sagt Birgit Hipp. „Nicht kleinlich, aber klein.“

Anscheinend hat die SPD ihre Klientel aus den Augen verloren. Hipp berichtet von Rentnerinnen, denen kaum 30 Euro pro Woche zum Leben bleibt, sie kennt Lebenslinien, die nach 35 Jahren Arbeit im Bezug von Hartz IV enden. Das versteht Hartmann. „Wir haben den Leistungsgedanken verletzt“, sagt er. Hartz IV bedeute Abstiegsangst. „Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Versagen, sondern eine gesellschaftliche Frage.“

Die Worte hört das Publikum wohl, allein es fehlt der Glaube. Zumindest einige Sympathisanten der SPD wünschen sich an diesem Abend, dass die Sozialdemokratie auf die drängenden Fragen konkrete Antworten gibt. „Wir müssen uns kümmern“, sagt Heiner Fragemann. Das nimmt der Wuppertaler SPD-Chef und Vohwinkeler Bezirksbürgermeister von dem Abend mit. Und die Gewissheit, dass der neue Landesvorsitzende aller Umfragetiefs zum Trotz Zuversicht und Mut verbreitet. „Platz 2 ist nicht das Ziel“, sagte er.

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