Zukunftsprojekt Schüler entwickeln mit Experten Visionen für eine lebenswerte Stadt

Barmen. · Umweltforscher Michael Kopatz diskutierte im Rahmen von „Zukunft denken“ mit den Zehntklässlern. Im kommenden Jahr soll es einen Abschlussbericht geben.

 Schüler des Ganztagsgymnasiums Johannes Rau diskutieren mit Michael Kopatz (Wuppertal Institut).

Schüler des Ganztagsgymnasiums Johannes Rau diskutieren mit Michael Kopatz (Wuppertal Institut).

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Es geht nicht darum, dass ihr verzichtet.“ Ein Satz, der am Ende eines Vortrages über Maßnahmen für Umwelt und Klima vielleicht Verwunderung bei den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Johannes Rau ausgelöst hätte, wenn nicht Michael Kopatz zuvor detailliert seinen Grundsatz beschrieben hätte: „Die Politik ist dafür verantwortlich, Systeme und Strukturen zu ändern; unsere Verantwortung liegt darin, darauf hinzuweisen.“ Kopatz, Umweltforscher am Wuppertal Institut und Buchautor, war im Rahmen des Projekts „Zukunft denken“ in die Barmer Schule gekommen, das bereits im Juni mit den Polit-Gästen Helge Lindh, Uwe Schneidewind und Andreas Mucke offiziell eröffnet worden war.

Mit dem Projekt sollen Visionen für nachhaltige Stadtentwicklung in Wuppertal erarbeitet und diskutiert werden. Dabei ist angedacht, diejenigen in den Mittelpunkt zu rücken, die am längsten mit den heute getroffenen Entscheidungen leben werden, weshalb mit der zehnten Klasse des Ganztagsgymnasiums zusammengearbeitet wird. Das Projekt möchte Entscheidungsträger und junge Menschen verbinden. Auch im Unterricht wurde es weitergeführt. So schufen die Jugendlichen etwa Kunstwerke, die sich mit einem Bild der Welt in 20 bis 30 Jahren beschäftigen. „Viele sind optimistisch, aber die Schüler machen sich auch viele Sorgen“, fasst Liesbeth Bakker vom Büro „Ideaalwerk“ für Umwelt und Nachhaltigkeit zusammen. Sie koordiniert das Gesamtprojekt, an dessen Ende im kommenden Jahr die Beteiligten eine gemeinsame Stellungnahme formulieren möchten.

Bis dahin möchte die Schule nach innen und außen in Kommunikation treten, wie der stellvertretende Schulleiter Rainer Kokenbrink erläutert: „Wir versuchen die Schule für Experten zu öffnen.“ „Zukunft denken“ als Teil der Programmatik der Unesco-Projektschule sei da, um zu erörtern: „Wie kann es gelingen, Zukunftsprognosen zu entwickeln, in denen wir auch leben wollen?“, so Kokenbrink.

Veränderung zu Nachhaltigkeit muss schrittweise erfolgen

Um diese Frage drehte es sich auch im Vortrag von Michael Kopatz, der sein Prinzip der Umwelt-Verbesserungen durch politisches Handeln gleich zu Beginn am Beispiel der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner veranschaulichte. Mit ihrer Taktik, Verbrauchern die Verantwortung für eine nachhaltigere Gesellschaft aufzutragen, mache sie es sich zu einfach: „Nicht die Mentalität und Seele des Kunden sollte sich ändern“, führte Kopatz in der Aula aus, sondern eher die angebotenen Produkte. Als Einzelperson scheitere man schnell am Anspruch, alles richtig zu machen. Weniger Moralisierung fordert der Forscher und Autor deshalb und äußert stattdessen: „Es kommt darauf an, dass wir die politischen Verhältnisse ändern.“ Als Beispiel für die Wirksamkeit politischer Entscheidungen führte er den Rückgang des Tabakkonsums an. Nachdem das Rauchen teurer gemacht, Kampagnen gestartet und Werbung eingeschränkt worden war, ging der Konsum zurück.

Ähnliches Vorgehen schlägt er in der Umweltpolitik vor. Die Umwandlung von Auto- in Bus- und Fahrradspuren, kein weiterer Ausbau von Straßen und Flughäfen oder nachhaltigere Landwirtschaft sind nur einige der Punkte, die er am Gymnasium präsentierte. Dabei appellierte er durchaus auch an sein junges Publikum, selbst das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, auf lokaler Ebene konkrete Veränderungen vorzuschlagen und Druck auszuüben.

Die Jugendlichen selbst hinterfragten teils gründlich und äußerten Bedenken zu Preisen im Supermarkt, Konkurrenz auf dem globalen Markt, Busverkehr oder gesellschaftlicher Umgewöhnung. Kopatz erläuterte seine Visionen mit ihren Vor- und Nachteilen. Sein Resümee bestand darin, dass politische Vorgaben zwar – wie ein Schüler bemerkte – Zwang seien, aber „eine Form von Zwang, die nicht mehr infrage gestellt wird“. Denn Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit müsse langsam erfolgen: „Man muss es schrittweise tun, aber man muss es tun.“

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