Bergische Universität „Digitaler Verzicht hat kaum positive Effekte“

Dr. Theda Radtke ist neue Professorin für Gesundheitspsychologie.

Prof. Dr. Theda Radtke studierte Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum und promovierte an der Universität Zürich zum Rauchverhalten von Jugendlichen. Im Oktober wechselte die gebürtige Dortmunderin an die Bergische Universität.

Prof. Dr. Theda Radtke studierte Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum und promovierte an der Universität Zürich zum Rauchverhalten von Jugendlichen. Im Oktober wechselte die gebürtige Dortmunderin an die Bergische Universität.

Foto: Uni/Friederike von Heyden

Dr. Theda Radtke ist neue Professorin für Gesundheitspsychologie und angewandte Diagnostik an der Bergischen Universität Wuppertal. Sie erforscht unter anderem, inwieweit die Nutzung eines Smartphones Stress oder Wohlbefinden verursachen kann.

Was wird in dem Fachbereich Gesundheitspsychologie und angewandte Diagnostik erforscht?

Theda Radtke: In der Gesundheitspsychologie geht es darum, zu erforschen, was die Gründe und Faktoren sind, warum sich Menschen gesund oder ungesund verhalten. Daraus sollen sich Erkenntnisse ergeben, wie man am besten Präventionsmaßnahmen gestalten kann, damit man Personen helfen kann, sich im besten Fall gesund zu verhalten.

Was interessiert Sie besonders an diesem Fachbereich?

Radtke: Ich finde es extrem spannend – das ist aber eine Grundfrage der Psychologie – warum Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten. Warum gibt es zum Beispiel Personen, die sich angesichts von Covid-19 daran halten, Maske zu tragen und andere nicht. Das hat viel mit Gesundheitspsychologie zu tun und wie man das mit geeigneten Strategien beeinflussen kann. Das ist extrem relevant, denn die Gesundheit ist mit das Wichtigste, was wir haben. Gleichzeitig nehmen ungesunde Verhaltensweisen wie sitzende Tätigkeiten in der Bevölkerung immer mehr zu. Wir leben zwar länger und haben einen hohen Standard bei der Hygiene im Vergleich zu anderen Ländern, aber gleichzeitig steigt zum Beispiel die Diabetes-Type 2-Häufigkeit und wir werden immer übergewichtiger. Das sind in der Regel aber Dinge, die wir selbst beeinflussen können. Wie man da gut intervenieren kann, das finde ich extrem spannend.

Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?

Radtke: Mein Fokus liegt beispielsweise im Setting von Familie, weil ich viel Forschung über Jugendliche betreibe, aber es sind teilweise auch Arbeitnehmende. Dabei befasse ich mich häufig mit dem Thema körperliche Aktivität, aber auch mit Ernährungsverhalten und Medienkonsum in den vergangenen Jahren.

Ist Medienkonsum auch ein Thema, dass Sie an der Uni erforschen wollen?

Radtke: Ja, definitiv. Da sind wir schon dran. Ich beschäftige mich in der letzten Zeit viel damit, welche Auswirkungen das Smartphone auf uns hat. Was es mit uns macht, wenn der Partner zum Beispiel im Restaurant sein Smartphone zückt. Da konnten wir zum Beispiel zeigen, dass selbst Dritte sich davon schon gestresst fühlen. Man geht davon aus, dass die Nutzung des Smartphones so eine Art Ausschluss ist, also dass man sozial ausgeschlossen wird bei einer Aktivität und das bei uns Stress verursacht. Wir wollen noch weiter erforschen, ob das Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit hat, vielleicht auch mit Kindern. Denn es zeigt sich, dass Kinder von ihren Eltern ein wenig genervt sind, wenn diese immer auf ihr Smartphone schauen. Das macht auch Sinn, weil die Aufmerksamkeit nicht bei den Kindern liegt. Da fühlen sich Kinder vielleicht genauso ausgeschlossen, wie sich das jetzt bei Erwachsenen gezeigt hat. Das würden wir gerne im Laborsetting weiter untersuchen. 

Einerseits fühlen sich die Kinder ausgeschlossen, wenn ihre Eltern das Smartphone dauernd nutzen, gleichzeitig kann man aber auch beobachten, wie die Attraktivität am Gerät steigt.

Radtke: Das ist das, was man in verschiedenen Bereichen sehen kann, dass verschiedenste Verhaltensweisen der Eltern eine ganz große Rolle spielen. Wenn Eltern sich ungesund ernähren, sich wenig bewegen, das Smartphone benutzen oder vor dem Fernseher sitzen, hat das Auswirkungen auf Kinder, weil das als normales Verhalten wahrgenommen wird.

Sie haben auch zu Digital Detox geforscht. Was ist dabei herausgekommen?

Radtke: Ich forsche dazu, ob das Digital Detox wirklich so eine gute Idee ist. Es gibt diverse Apps dazu, mit denen man sich eigene Auszeiten von der Smartphone Benutzung kreieren kann. Wir haben schon mehrere Studien gemacht und da zeigt sich, dass das kaum mit positiven Effekten einhergeht. Unsere Vermutung ist – wenn man sich zum Beispiel ein Arbeitssetting vorstellt – dass die Arbeit trotz Auszeit vorhanden bleibt und der Stressor noch gegeben ist. Deswegen sollte man eher an den Arbeitsstrukturen ansetzen als an dem Smartphone an sich.

Ist also die Nutzung eines Smartphones nicht grundsätzlich kritisch einzuschätzen?

Radtke: Die Frage ist ja, was machen wir mit dem Smartphone. Es ist nur ein Gerät. Nutzen wir das Internet, hören wir Musik damit oder lesen wir etwas? Dann ist das eine andere Art der Nutzung. Studien zu Digital Detox ergeben gemischte Befunde. Einige finden positive Effekte auf Stressempfinden und Depressionswerte, die dann runtergehen. Andere belegen hingegen, dass man noch gestresster ist, wenn man das Smartphone beiseitelegt, weil man keinen Kontakt mehr zu Freunden hat, kleine Entzugserscheinungen entstehen und man sozial isoliert ist. Es kommt auf die Art der Nutzung an. Wenn ich das Smartphone nutze, um mit meiner Familie Kontakt zu halten, dann kann das etwas Positives sein. Wenn ich Stress bei der Arbeit habe und meinen Partner anrufen kann oder eine WhatsApp schicken kann, dann hilft mir das. Deswegen ist noch viel Forschung nötig, was genau am Smartphone störend ist und was gut sein kann.

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