Kommunalwahl „Den meisten Parteien hat eine Strategie gefehlt“

Politikwissenschaftler Jade Madani im Gespräch mit der WZ.

 Politikwissenschaftler Jade Madani war zu Gast im WZ-TV-Studio.

Politikwissenschaftler Jade Madani war zu Gast im WZ-TV-Studio.

Foto: wz

Wie funktioniert Wahlkampf, wie funktionieren Parteien in Zeiten von Multimedia? Da dreht sich das Rad ja sehr schnell.

Jade Madani: Kommunalwahlen sind Wahlen, die auf der untersten Ebene von Parteistrukturen stattfinden. Da sind die Ressourcen, die Mittel, und da ist das Personal noch nicht so perfekt und professionell. Umso spannender ist so ein Kommunalwahlkampf, denn er ist authentischer, ehrlicher und kann auf Augenhöhe mit den Bürgern stattfinden. Das haben die Parteien in großen Teilen versucht. Mir hat allerdings bei den meisten Parteien im Wahlkampf eine konsequente Strategie gefehlt. Natürlich ist das in Zeiten von Corona ein wenig schwierig, aber man hätte zum Beispiel in den sozialen Medien aktiver und zielgruppenorientierter unterwegs sein können.

Es ist ja auch so, dass die sozialen Medien eine gewisse Fallhöhe haben. Wie sollen die Parteien es schaffen, dass sie die sozialen Medien so beherrschen, dass eine vernünftige Informationspolitik und Diskussionskultur stattfindet?

Madani: Ich empfehle Parteien immer, mit ihren Stärken zu spielen. Die Stärken zu stärken und die Schwächen zu minimieren. Wir haben viele politische Talente im Tal. Warum können wir diese Personen nicht verstärkt nach vorne bringen und diese mit ihren Themen auf eine ganz andere Ebene führen?

Hat der Wahlkampf mit Wahlplakaten an Hauptstraßen wie der B7 überhaupt noch einen Sinn?

Madani: Das ist eher abschreckend. Die Bevölkerung wird dadurch lediglich erinnert, dass bald wieder eine Wahl ist. Die Wahlplakate transportieren keine Inhalte, sie mobilisieren nicht, sie geben auch keinen Spirit.

Wir haben die Halbzeit des Wahlkampfes, was die OB-Wahl angeht, hinter uns. Wir haben CDU/Grüne auf der einen Seite, die SPD auf der anderen Seite. Hier Andreas Mucke, dort Uwe Schneidewind. Was muss aus Sicht des Politikberaters strategisch noch geschehen, um die letzten fehlenden Prozente aus den Menschen herauskitzeln?

Madani: Alles beginnt wieder bei null. Wir haben zwei wichtige Faktoren, die diese Wahl bestimmen werden. Zum einen die Wahlbeteiligung. Wir wissen, dass die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen deutlich niedriger ist als bei der Kommunalwahl. Das ist ein Bonus für den Amtsinhaber, weil er mit seiner Persönlichkeitsmarke schon ein Standing in der Bevölkerung hat. Wuppertaler wählen eigentlich diejenigen, die sie kennen. Der zweite Faktor ist die Mobilisierungskraft. Da hat Uwe Schneidewind einen Vorteil, weil er bestimmte Zielgruppen anspricht.

Die Umfrage vom WDR kurz vor der Wahl hatte völlig andere Ergebnisse. Warum?

Madani: So ein Stimmungsbild ist immer sehr problematisch zehn Tage vor einer Wahl. Es wurden 1000 Wähler befragt, Wähler, die schon eine konkrete Ahnung haben, wen sie wählen wollen. Bei einer Kommunalwahl werden viele Entscheidungen erst an der Wahlurne getroffen. Das verfälscht eine Prognose vor der Wahl.

Was können Parteien in den nächsten 14 Tagen tun, damit die Entscheidung nicht erst an der Wahlurne fällt, sondern schon vorher?

Madani: Ich nenne das Netzwerkpflege und Netzwerkbindung. So hat die SPD seit Winter Migrantenselbstorganisationen an sich gebunden. Das können alle Parteien machen. Im Fall Schneidewind würde ich sagen, er muss die bessergestellten Wähler, die sich zum Beispiel bei Fahrrad-Demos und Fridays for Future engagieren, an sich binden.

(Das Gespräch führte Lothar Leuschen)
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