Kolumne aus der Notaufnahme „Ein gutes Gefühl, wenn sich das Notfalltraining auszahlt“

Serie | Wuppertal · Daniel Riehl berichtet von seinen Erfahrungen als Pfleger in der Notaufnahme des St. Josef-Krankenhauses. Diesmal geht es um einen jungen Patienten, bei dem die Lunge zusammengefallen ist.

 Daniel Riehl arbeitet in der Notaufnahme des St. Josef-Krankenhauses.

Daniel Riehl arbeitet in der Notaufnahme des St. Josef-Krankenhauses.

Foto: Fischer, Andreas

Beim letzten Mal hatte ich an dieser Stelle von einem „alten Bekannten“ berichtet, der wegen seiner Alkoholsucht leider immer wieder bei uns aufschlägt. Dieser Patient ist nach ein paar Tagen des Aufenthalts auf unserer Intensivstation zu einem erneuten Entgiftungsversuch in eine Fachklinik verlegt worden. Leider ohne Erfolg. Schon wenige Tage später wurde er vom Rettungsdienst erneut zu uns gebracht. Total betrunken und zwar dieses Mal ohne Erfrierungserscheinungen, aber offenbar völlig ahnungslos darüber, dass er nur wenige Tage zuvor hier bei uns dem Tod noch so gerade von der Schippe springen konnte.

„27, 28, 29, 30!“ Ein Arzt beatmet unseren Patienten zweimal mit einem Beatmungsbeutel. Eine Rhythmuskontrolle ergibt, dass unser Patient Kammerflimmern hat. Sein Herz schlägt viel zu schnell. So schnell und „flach“, dass kein Blut in den Kreislauf gepumpt wird. Also müssen wir mit der Herzdruckmassage übernehmen. Währenddessen lädt einer meiner Kollegen den Defibrillator auf 150 Joule. Unsere Absicht ist es, das Herz mit einem Stromstoß wieder in den Takt zu bringen. „Achtung! Alle weg vom Patienten.“ Der Schock wird ausgelöst. Jeder schaut gebannt auf den Monitor des Defibrillators. Nach einem kurzen Moment zeigt sich ein normaler, rhythmischer Herzschlag. Der Mann ist fürs Erste stabilisiert.

Heute ist Notfalltraining. An mehreren Tagen im Monat trainieren wir den Ernstfall. Unser Patient ist dann ein Gummimensch der nacheinander einen Herzinfarkt, eine Lungenembolie oder ein schweres Trauma erleidet. Im Rahmen seiner „Behandlung“ wird der Umgang mit unserer Medizintechnik und die Interpretation der gelieferten Daten trainiert. Und natürlich das Allerwichtigste – die effektive Teamarbeit! Gerade unsere „Neuen“ müssen auf solche Situationen vorbereitet werden. Jede simulierte Notfallsituation, die wir an diesem Tag durchspielen, wird nachbesprochen. Was war gut? Was können wir noch besser machen?

In der Zeit, in der wir den Notfall simulieren, sind Kollegen damit beschäftigt die echten Notfälle zu betreuen. Ein junger Mann stellt sich vor. Er habe ganz plötzlich und ohne ein auslösendes Ereignis Luftnot. Unsere Triage-Spezialistin nimmt den Mann sofort mit in einen Behandlungsraum. Dabei trägt sie ihre PSA, die persönliche Schutzausrüstung bestehend aus einer FFP2 Maske, einem flüssigkeitsundurchlässigen Schutzkittel, einer Schutzbrille und Handschuhen. Die Sauerstoffsättigung und die anderen Vitalzeichen werden gemessen. Die Sauerstoffsättigung beträgt 90 Prozent. Das ist definitiv nicht genug. Der Patient wird „orange“ triagiert, somit muss innerhalb von zehn Minuten ein Arzt bei unserem Patienten sein.

Während dieser Zeit wird dem Mann ein venöser Zugang gelegt, Blut abgenommen, ein EKG geschrieben, eine Blutgasanalyse erstellt und, da er über Luftnot klagt, ein Covid-19 Schnelltest durchgeführt. Nach 15 Minuten ist klar, dass es kein Covid-19 ist. Zur weiteren Diagnostik wird ein Röntgenbild vom Brustkorb gemacht. Die Diagnose ist schnell gestellt. Der junge Mann hat einen „Pneumothorax“. Das kommt bei jungen, sehr schlanken Männern schon mal vor, dass die Lunge ohne ersichtliche Ursache einfach „zusammenfällt“ und kann in manchen Fällen böse ausgehen.

Zeitnah bekommt der Mann von uns eine Drainage zwischen die Rippen in den sogenannten Pleura-Spalt gelegt. In diesem Spalt befindet sich normalerweise ein Vakuum. Bei einem Pneumothorax dringt Luft in diesen Spalt ein und die Lunge kollabiert. Mit Hilfe einer Saugvorrichtung wird diese Luft über die von uns gelegte Drainage abgesaugt und der ursprüngliche Vakuum-Zustand wiederhergestellt. Noch zweimal gehustet, ein Zeichen dafür dass sich die Lunge wieder ausbreitet und schon klappt es mit dem Atmen wieder viel besser.

Ein gutes Gefühl wenn man merkt, dass sich unser Notfalltraining auszahlt und wir unseren Patienten oft schon mit einfachen Mitteln zu einer deutlichen Linderung ihrer Beschwerden verhelfen können.               

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