Kirche „Es braucht häufig Jahre, bis die Enttäuschung geheilt ist“

Interview In der Citykirche Barmen werden heute neue Mitglieder der Evangelischen Kirche in Wuppertal begrüßt. Pfarrer Johannes Nattland erklärt, warum Menschen wieder den Kontakt zur Kirche suchen.

 Oft sind schlechte Erfahrungen mit einem Pfarrer oder mit der Institution Kirche der Grund für den Austritt aus der Kirche.

Oft sind schlechte Erfahrungen mit einem Pfarrer oder mit der Institution Kirche der Grund für den Austritt aus der Kirche.

Foto: dpa-tmn/Ingo Wagner

Warum gibt es überhaupt einen Begrüßungsgottesdienst?

Pfarrer Nattland: Zu dem Gottesdienst laden wir explizit diejenigen ein, die in die evangelische Kirche eingetreten oder wieder eingetreten sind. Der Gottesdienst ist öffentlich und natürlich ist uns auch jeder andere herzlich willkommen. Wir wollen mit dem Gottesdienst noch einmal an „Kirche“ erinnern und dazu anregen, wieder Anschluss zu finden. Gleichzeitig soll die Veranstaltung auch eine Einladung sein, sich an die jeweiligen Kirchengemeinden anzudocken. Wir hoffen natürlich, dass wir im Anschluss miteinander ins Gespräch kommen.

Wenn Menschen in die Kirche eintreten, sind sie mutmaßlich ja auch einmal ausgetreten. Warum treten die Menschen Ihrer Erfahrung nach aus der Evangelischen Kirche aus?

Pfarrer Nattland: Aus Gesprächen weiß ich, dass schlechte Erfahrungen mit der Institution Kirche oder einem Pfarrer ein Grund für einen Austritt sein können. Oder man ist enttäuscht von dem Umgang eines kirchlichen Pflegedienstes mit alten oder kranken Menschen. Manche Menschen schildern auch, dass sie sich nach einem Trauerfall mehr Betreuung durch den Pfarrer gewünscht hätten. Oft sind es persönliche Enttäuschungen, die zu diesem Schritt führen.

Und wie finden sie wieder den Weg zurück und was bewegt sie zum Wiedereintritt?

Pfarrer Nattland: Es braucht häufig Jahre, bis die Enttäuschung wieder geheilt ist. Und oft ist ein positiver Impuls Anlass dafür, den Schritt wieder rückgängig machen zu wollen. Etwa die Begegnung mit einem empathischen Pfarrer, der sich viel Zeit nimmt und zuhört. Oder die Erfahrung, dass in einem konfessionell geführten Krankenhaus, Altenheim oder Kindergarten eben doch ein anderer Geist herrscht. Andere singen im Chor mit und oder hören vom ehrenamtlichen Engagement einer Gemeinde für ein besonderes Projekt und verspüren plötzlich den Wunsch nach Zugehörigkeit. Und denken sich: Das will ich mittragen und aktiv unterstützen. Auch ist der Beginn einer neuen Beschäftigung bei einem konfessionellen Träger oft Anlass dazu, in die Kirche einzutreten.

Kann auch Krankheit oder Einsamkeit ein Grund sein, wieder zur Kirche dazugehören zu wollen?

Pfarrer Nattland: Ja. Ich bin schon intensiv mit Menschen ins Gespräch gekommen, die eine schwere Erkrankung überstanden haben. Existenzielle Lebenssituationen sind auch ein Grund, wieder Kontakt zur Kirche aufzunehmen. Überhaupt ist es auch ein Zeichen von Wertschätzung, wenn wir Mitarbeitende in der Kirche uns Zeit nehmen für lange Gespräche. Das ist in einer Gesellschaft, in der Einsamkeit eine immer größere Rolle spielt, keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir begegnen den Menschen offen und vorurteilsfrei und wollen ihnen das Gefühl vermitteln, angenommen zu sein.

Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang die Menschen, die Kirche repräsentieren?

Pfarrer Nattland: Die persönliche Beziehung dürfen wir nicht unterschätzen. Pfarrer und Mitarbeitende in der Kirche spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, wie Kirche wahrgenommen wird. Der Pfarrberuf zum Beispiel hat noch einen anderen Stellenwert. Wir haben einen Vertrauensvorschuss und dem müssen wir ganz klar auch gerecht werden.

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