Glaube Warum eine Kita neben einem Friedhof eine gute Idee ist

gastbeitrag Pfarrer Holger Pyka will das Thema Tod aus der gesellschaftlichen Tabuzone holen.

Holger Pyka ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Uellendahl-Ostersbaum.  Archivfoto: Stefan Fries

Holger Pyka ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Uellendahl-Ostersbaum. Archivfoto: Stefan Fries

Foto: Fries, Stefan (fri)/Fries, Stefan (fr)

Wir stehen an einem Grab am äußersten Ende des winzigen Friedhofs im Kölner Osten. Vom Pausenhof der benachbarten Kita trennen uns nur zwei Meter und ein Maschendrahtzaun. Es ist ein Mittwochvormittag im Mai, die Sonne strahlt, die Kinder sind draußen und spielen. Und sind sehr laut dabei. Mein dramatisch gedonnertes „Erde zu Erde...“ geht fast im Pausentrubel unter: Durch die Drahtmaschen hindurch, über den kleinen Kiesweg und einige Grabsteine hinweg windet sich, hopst und hüpft das Lachen und Schreien der Kinder, umtanzt die trauergekleideten Erwachsenen, zupft hier und da an einem Mantel oder spielt mit einem schwarzen Schal und plumpst erst weit hinter uns in das weiche Gras der Urnenfelder.

Am Anfang stört mich das Gejohle enorm. Aber während die Trauergesellschaft langsam am Grab vorbeizieht, kann ich die Kinder beobachten, die auf ihrer Seite des Zauns mit dem Seil springen. Ab und zu blickt eines herüber, ohne sich ernsthaft stören zu lassen. Ab und zu guckt einer der Trauernden den spielenden Kindern zu.

Das Ensemble aus Kita und Friedhof gefällt mir besser und besser, weil es Räume und Erfahrungen verbindet, die wir sonst streng zu trennen versuchen. Die Trauernden, die gerade die äußerste Grenze des menschlichen Daseins entlangwandern, werden daran erinnert: Nur wenige Schritte weiter tobt das pralle Leben. Entgegen dem, was mancher von ihnen vielleicht gerade fühlt, ist die Welt nicht stehen geblieben. Und die Kinder lernen aus der Nähe, dass der Tod zum Leben dazugehört. Oder besser: Ins Leben gehört. In den Alltag. Dorthin, wo wir ihn eigentlich nicht haben wollen, weil er schmerzhaft daran erinnert, dass wir auf dünnem Boden stehen. Auf sehr dünnem.

 Machen wir uns nichts vor, die schlechte Nachricht ist nun mal: Sie werden sterben. Ich auch. Wir alle, früher oder später. Die gute Nachricht ist: Wer sich aktiv mit seinem eigenen Tod auseinandersetzt, wird die Zeit bis dahin um einiges bewusster verbringen. Menschen, die andere am Lebensende begleiten, ob im Hospizdienst oder auf der Palliativstation, erzählen oft, wie sehr sie die Begegnungen mit Sterbenden verändert haben.

In der Bibel heißt es deswegen ganz richtig: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90,12). Der Gedanke an das eigene Sterben führt meistens recht schnell ins Hier und Jetzt: Was ist mir wichtig? Und wer? Was soll von mir bleiben, was will ich hinterlassen? Was will ich auf dem Sterbebett nicht bereuen müssen? Was will ich unbedingt noch tun? Das hilft beim Sortieren. Und beim Entscheiden.

 In absehbarer Zeit wird, soweit ich weiß, neben keinem Wuppertaler Friedhof eine Kita eröffnet werden. Aber das ist kein Grund, das Thema Tod noch länger in der gesellschaftlichen Tabuzone zu lassen.

In der evangelischen Kirchengemeinde Uellendahl-Ostersbaum haben wir deswegen für den November einen ganzen Themenmonat geplant: Bei über dreißig Veranstaltungen, vom Infoabend zu Testament und Vorsorgevollmacht über einen Workshop, wie man gute Beileidskarten schreibt, bis hin zur Vorstellung geeigneter Kinderbücher wollen wir (so der Titel) „Vom Tod reden“ und „fürs Leben lernen“.

Schnuppern Sie doch einfach mal unter www.ev-uo.de ins Programm – vielleicht ist etwas für Sie dabei?

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