Was glauben Sie denn? Die weibliche Seite Gottes

Wuppertal · Welche Möglichkeiten bietet uns der biblische Text über den Schöpfer des Himmels und der Erde zu sprechen? Die erste Schwierigkeit besteht darin, dass wir nur in menschlicher Sprache reden können.

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Foto: Fries, Stefan (fri)

Kürzlich berichtete die Frankfurter Rundschau, dass das Jüdische Museum in Frankfurt nach einer erfolgreichen Restaurierungs- und Neubauphase im Oktober 2020 wieder seine Pforten öffnen soll. Neben der Dauerausstellung wird es wechselnde Sonderschauen geben. Die erste steht unter dem Thema:  „Die weibliche Seite Gottes“ und beginnt mit Exponaten der frühen Kulturen.

Aus den Sagen des Altertums und aus der griechischen und der römischen Literatur kennen wir die bunte Welt der Götter und Göttinnen der Antike. Auch im Nahen und Mittleren Osten baute man den Göttern und ihren Gefährtinnen prächtige Tempel, man opferte ihnen in der ganz frühen Zeit sogar Kinder und man feierte ihnen zu Ehren Orgien. Es gibt auch Hinweise darauf, dass es in einer vorgeschichtlichen Kulturperiode ein Matriarchat unter der Allmutter Istar gegeben hat. Diese Fruchtbarkeitsgöttin Istar taucht ebenso unter den Namen Isis, Astarte und Aschera auf. Gerade bei Menschen, die von Viehzucht und später auch Landwirtschaft lebten, hatte eine Fruchtbarkeitsgöttin besondere Bedeutung. Sie wurde vielfach in kleinen Figuren in Ton nachgebildet und in einem häuslichen Kult verehrt. In Kanaan nannte man den/die Fruchtbarkeitsgott/göttin Baal bzw. Baalat. Natürlich gab es unter den Göttern auch Streit darüber, ob ein Gott oder eine Göttin für die Fruchtbarkeit wichtiger sei, wobei die Menschen den Göttinnen in dieser Frage eine wichtigere Rolle einräumten.  Bei all den verschiedenen Göttinnen und Göttern ist es nicht verwunderlich, dass die Idee des Monotheismus sich nur schwer und sehr langsam bei den Menschen durchsetzen konnte. In den Prophetenbüchern der Hebräischen Bibel wird viel darüber berichtet, dass die Menschen sich nicht von den vertrauten Idolen lösen konnten.

Welche Möglichkeiten bietet uns der biblische Text über den Schöpfer des Himmels und der Erde zu sprechen? Die erste Schwierigkeit besteht darin, dass wir nur in menschlicher Sprache reden können.

Darüber haben unsere Gelehrten seit Jahrtausenden diskutiert und später viele Bücher geschrieben. Der Grundtext aber ist in Hebräisch geschrieben und kaum eine Übersetzung kann das ganze Bedeutungsfeld des hebräischen Wortes abdecken. Beginnen wir mit dem Namen „Elohim“. Er ist ein maskuliner Plural und wird mit „Gott“ übersetzt, also schließt man daraus: „ein Mann“. Tatsächlich wird mit dem maskulinen Plural im Hebräischen aber eine Einheit von männlich und weiblich ausgedrückt. Dann begegnet uns der Name „JHWH“, den Juden nicht aussprechen, sondern im Gebet mit „Adonai“ umschreiben. Übersetzt wird „Adonai“ immer mit „Herr“, aber es ist wieder ein verkürzter Plural, enthält also beide Formen.

Über die Erschaffung des Menschen (1. Mose 1,27) haben sich Generationen von Gelehrten die Köpfe heiß geredet. Es heißt ja „Gott schuf den Menschen nach Seinem Bilde ...männlich und weiblich…“ (hebr.: „sachar  u nekeva“). In der Grammatik ist „sachar“ maskulin. Doch die eigentliche Wortbedeutung ist „erinnern“. Der Mensch wurde mit Erinnerungsvermögen ausgestattet. „Nekeva“ (laut Grammatik feminin) bedeutet „Umhüllung“. Der Mensch wurde als Einheit geschaffen, damit er nicht „zerbröselt“. Wer möchte den Männern weibliche und den Frauen männliche Züge absprechen? Zu der Formulierung: „Nach Seinem Bilde“ fragt Maimonides, einer unserer wichtigsten Gelehrten des Mittelalters: „Kann es nicht sein, dass der Schöpfer sich ein Bild gemacht hat, wie der Mensch zu sein hat und ihn danach erschuf?“ Auf keinen Fall können wir aber den Umkehrschluss ziehen und uns ein Bild von Gott nach unserem Bilde machen, weil wir uns Ihm ähnlich wähnen. Die biblischen Texte geben nur einmal eine Selbstoffenbarung Gottes an. Als Mosche Ihn nach Seinem Namen fragt, bekommt er die Antwort: „Ehejeh ascher ehejeh“ („Ich werde sein, der ich sein werde“). Wir können das nur mit dem Hilfsverb „sein“ übersetzen und zwar im Futur. Das Futur ist im Hebräischen aber eine Verlaufsform, die von der Vergangenheit bis in die Zukunft reicht. Hier wird also das damalige Weltbild vom ewigen Kreislauf in einen linearen Verlauf umgepolt. Wir erfahren hier im „ICH WERDE DASEIN“ den Gott der Geschichte, der sich als begleitender Gott durch alle Zeiten erweist. Darüber hinaus schildert die Bibel viele Erfahrungen, die wir Menschen mit Gottes Handeln an uns machen und wir lernen dabei, dass Seine Güte, Geduld und Barmherzigkeit (alles feminine Begriffe!) immer größer sind als Seine Gerechtigkeit. All die Namen und Attribute, die in den Texten aufgeschrieben sind, sind Ausdruck unserer Gefühle und Versuche, eine Transzendenz zu erfassen, die für uns nicht begreifbar ist.

Wir haben allerdings den Auftrag, die weibliche Seite in uns zu stärken, indem wir jedem Menschen die ihm gebührende Aufmerksamkeit und Zuwendung zollen, mit allen Geschöpfen respektvoll umgehen, auch da, wo wir im Recht sind, nachgeben und verzeihen können. Auf diesem Wege, auf den Gott uns mit Seinem Handeln immer wieder hingewiesen hat, kommen wir vielleicht dem Bild des Menschen nahe, das Gott sich von dem Menschen gemacht hat, als er ihn männlich und weiblich erschuf.

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