Wuppertaler Hebammen zieht es in die weite Welt

Zwei junge Frauen arbeiteten in einer Klinik in Ostafrika. Die Idee soll für die Ausbildung an der Vogelsangstraße Schule machen.

Wuppertal. Bettwäsche und Lebensmittel müssen mitgebracht werden, die Instrumente sind rostig und veraltet und die Schwangeren müssen teilweise Tagesreisen mit Mofataxis bewältigen, bevor ihnen geholfen wird. Keine Frage: Zwischen der Geburtshilfe in Uganda und der in Deutschland liegen Welten.

Diese Erfahrung haben jetzt die Wuppertalerinnen Iris Schulte-Bocholt und Henrike Knoth gemacht. Die beiden 25-Jährigen sind im dritten Ausbildungsjahr an der Akademie für Gesundheitsberufe (AfG) und waren als angehende Hebammen zehn Wochen am Kamuli Mission Hospital, einer Mission von Franziskanerinnen in Uganda, tätig.

Das Beispiel der beiden soll jetzt Schule machen: Die Akademie will ihren Schülerinnen in Zukunft regelmäßig Auslandsaufenthalte ermöglichen - und damit unter anderem auch auf den Rückgang der Geburten und die sinkenden Berufschancen für Hebammen in Deutschland reagieren.

"Es war für uns faszinierend zu sehen, mit welch ursprünglichen Mitteln schwangere und entbindende Frauen dort versorgt werden", sagt Henrike Knoth. Allein mit Hörrohr und Handgriffen wird in den Geburtsstationen in Afrika Lage und Zustand des Kindes beurteilt. "Hebammen sind in Deutschland Teil eines Gesundheitswesens mit Aufgabenteilung.

In Afrika erfährt man etwas ganz anderes. Hier ist die ,Geburtsfrau’ eine Allrounderin rund um die Gesundheit von Frau und Kind - das schafft ganz andere Anforderungen im Arbeitsalltag", erklärt Urula Alef, Leiterin des Fachbereichs Hebammenwesen.

Die medizinische Versorgung entspricht dabei ungefähr dem Stand im Deutschland der 60er und 70er Jahre. Das Hörrohr ist im Kreißsaal heute komplett durch das CTG, ein Gerät, das Herztöne und Wehentätigkeit aufzeichnet, abgelöst. Das Ultraschallbild informiert über Größe und Lage des Kindes.

An die anderen Hygiene-Standards mussten sich die künftigen Hebammen allerdings erst gewöhnen: Der Kreißsaal bestand aus sieben Liegen, die notdürftig mit Vorhängen getrennt waren. "Die Frauen mussten sich Plastikfolien für die Matratzen organisieren", sagt Iris Schulte-Bocholt. In dem selben Plastikeimer, in dem die Plazenta gesammelt wurde, wurde auch das Putzwasser für die Bodenreinigung aufbewahrt. Nicht immer hätten sterile Instrumente zur Verfügung gestanden.

Außerdem seien die Schwangeren teilweise vor dem Krankenhausaufenthalt in ihren Dörfern von sogenannten Wehenfrauen mit wehenfördernden Tinkturen und Kuhdung behandelt worden, so dass der Geburtsfortgang schon sehr weit fortgeschritten gewesen sei.

Eine Geburt bei den Franziskanerinnen kostet die Frauen umgerechnet übrigens rund zwei Euro. Infusionen und ähnliches müssen allerdings extra bezahlt werden - falls sie dann vorrätig sind -, was zumindest in den Regierungskrankenhäusern keine Selbstverständlichkeit ist.

Deshalb machten die beiden Frauen auch eine traurige Erfahrung: Durch die fehlende Technik habe man vielen Frauen und ihrem Nachwuchs nicht so frühzeitig und umfassend helfen können, auch die Zahl der Totgeburten oder Säuglingen, die nicht überleben, sei viel höher gewesen.

Mit ihrem Uganda-Aufenthalt haben die Wuppertalerinnen einen Stein ins Rollen gebracht: Zurzeit befinden sich zwei andere Schülerinnen am gleichen Krankenhaus, weitere werden demnächst in Tunesien sowie auf der Mozambique vorgelagerten Insel Mayotte Erfahrungen sammeln.

Die Ausbildungsvergütung wird übrigens für die Zeit des Praktikums weitergezahlt. Derzeit prüft die Akademie, inwiefern darüber hinaus EU-Förderprogramme beantragt werden und ob Sponsoren für das Vorhaben gewonnen werden können. Das Projekt soll auch auf die anderen Berufsfelder an der Akademie ausgeweitet werden.

Warum sich die Akademie für die Auslandsaufenthalte stark macht? "Wer Auslandserfahrungen gesammelt hat, ist für Arbeitgeber attraktiver. Zugleich ist man besser vorbereitet, wenn eine Berufstätigkeit im Ausland ansteht", begründet Michael Breuckmann, Geschäftsführer der AfG.

Bedingt durch den Geburtenrückgang seien schon einige Hebammen nach England, Irland, in die Niederlande oder die Schweiz abgewandert. Trotz der sinkenden Nachfrage will die Akademie die Zahl der Ausbildungsplätze nicht reduzierem.

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