Auswirkungen der Corona-Krise : Wuppertaler Hebamme: „Es ist so viel Stress in den Familien“
Wuppertal Von einem Tag auf den anderen waren beim Corona-Lockdown viele Familien auf sich gestellt. Familienhebamme Annette Berthold von der Alten Feuerwache aus Wuppertal versuchte trotzdem, so viel wie möglich zu helfen.
Von einem Tag auf den anderen waren beim Corona-Lockdown alle Beratungs- und Anlaufstellen geschlossen. Die Familien waren auf sich gestellt. Familienhebamme Annette Berthold von der Alten Feuerwache versuchte, so viel wie möglich per Telefon und Video-Anruf zu helfen. Manchmal jedoch besuchte sie Mütter mit Neugeborenen trotzdem, mit Mundschutz und Abstand.
„Man bekommt deutlich mehr mit, wenn man in der Familie ist.“ Wenn eine Mutter erzählt, dass der Vater „das Kind geschmissen hat“ oder dass ihr bei der achtjährigen Tochter die Hand ausgerutscht ist. Wenn die Hebamme in Nebensätzen hört, dass die beiden etwas älteren Geschwister seit sieben Wochen die Wohnung nicht mehr verlassen durften. Viele Familien hätten große Angst vor dem Corona-Virus, fürchteten einen schnellen Tod durch die Krankheit.
Das enge Aufeinandersitzen in kleinen Wohnungen jedoch führt bei vielen der von Annette Berthold betreuten Familien zu einer aggressiven Atmosphäre. „Es ist so viel Stress in den Familien“, erlebt sie immer wieder. Sorge um Geld und Arbeitsplatz verschlimmern die Lage. So hat der Vater eines Neugeborenen etwa gerade seinen Job verloren und verbringt jetzt fast seine gesamte Zeit in Spielhöllen. Die junge Mutter kann in dieser Situation natürlich nicht entspannt mit dem Neugeborenen scherzen.
Angst vor der Zukunft und Sorgen im Alltag
Einige der betreuten Mütter leiden sowieso an Angststörungen oder Depressionen. „Das hat jetzt um ein Vielfaches zugenommen“, erlebt Annette Berthold. Eine Schwangerschaftsdepression zu diagnostizieren sei gar nicht mehr möglich – alle haben in der derzeitigen Situation Angst vor der Zukunft und Sorgen im Alltag. „Jede Wöchnerin hat jetzt depressive Züge.“
Erschwert wurde die Arbeit der Familienhebamme dadurch, dass viele Beratungsstellen während des Lockdowns nur schwer erreichbar waren und oft auch nur telefonisch. Für Menschen, die sehr schüchtern sind oder nur wenig Deutsch können, ist das eine Herausforderung. Ein Antrag auf Elterngeld, bei dem unter normalen Umständen die Familienhebamme ihre 17-jährige Klientin ins entsprechende Amt begleitet hätte, wurde so zur schwierigen Hürde.