Kundgebung in Elberfeld Abtreibungsparagraf: Frauenverband protestiert

Der Paragraf 218 StGB, der Schwangerschaftsabbrüche auch heute noch im Strafgesetzbuch regelt, besteht seit 150 Jahren.

 Linda Weißgerber, Sigrid Bucher, Kirsten Kuklick und Gabi Koch (v.l.) vom Frauenverband Courage haben am Samstag am Neumarkt mit einem Infostand und einer Kundgebung auf den Abtreibungsparagrafen aufmerksam gemacht.

Linda Weißgerber, Sigrid Bucher, Kirsten Kuklick und Gabi Koch (v.l.) vom Frauenverband Courage haben am Samstag am Neumarkt mit einem Infostand und einer Kundgebung auf den Abtreibungsparagrafen aufmerksam gemacht.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Dass Mädchen und Frauen ein selbstbestimmtes Leben führen – dafür setzt sich der Frauenverband Courage seit seinem Gründungsjahr 1991 ein. Als bundesweiter Verein ist er in mehr als 50 Städten präsent. Der Hauptsitz befindet sich nach wie vor in Elberfeld. Dort ging Courage am vergangenen Samstag auf die Straße.

Die Frauen der Wuppertaler Ortsgruppe, die am Elberfelder Neumarkt einen Stand aufbauten und Info-Flyer verteilten, wollten aber kein Vereinsjubiläum feiern. Sie griffen zum Mikrofon, um gegen den so genannten „Abtreibungsparagrafen“ 218 zu protestieren. Dieser steht seit 150 Jahren in deutschen Gesetzbüchern – aus der Sicht von Courage e.V. eine bedenkliche historische Kontinuität.

Auch in seiner jetzigen Form, sagte Gabi Koch von Courage, stigmatisiere und kriminalisiere der Paragraf 218 Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind. Der „moralische Druck“ werde nicht geringer, wenn die Betroffenen in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft zu einer Beratungsstelle gehen müssen, um der im Paragrafen festgeschriebenen Gefängnisstrafe zu entgehen.

Kritik übte Koch auch am Paragrafen 219 a. Das Verbot von „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche werde von selbst ernannten „Lebensschützern“ genutzt, um Frauenärzte zu verklagen und auf diesem Wege einzuschüchtern. Dabei könne ein Schwangerschaftsabbruch nicht mit Kindstötung gleichgesetzt werden. „Es wird höchste Zeit, dass diese frauenfeindlichen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden“, lautete ihr Resümee. Den Betroffenen ließe sich außerdem dadurch helfen, wenn Beratungsangebote an einer Stelle angesiedelt seien – bei den Ärzten, die die gesundheitliche Situation der Frauen am besten einschätzen könnten.

Linda Weißgerber, Vereinsmitglied der ersten Stunde, kam auf Kristina Hänel zu sprechen. Die Ärztin stand schon mehrmals auf Grundlage des Paragrafen 219 a vor Gericht, weil sie im Internet über das Thema Schwangerschaftsabbruch informiert hat. Es sei ein gutes Zeichen, so Weißgerber, dass sich viele Mediziner mit Hänel solidarisierten. Zugleich mahnte die Rednerin präventive Maßnahmen an. Wer ungewollte Schwangerschaften verhindern wolle, müsse auf sexuelle Aufklärung im Schulunterricht setzen.

Kirsten Kucklick erinnerte daran, dass Wuppertal „eine lange Tradition im Kampf gegen den Paragrafen 218“ habe. Dies ließe sich etwa an der Elberfelderin Helene Stöcker (1869-1943) festmachen. Deren Ideen zur Frauenemanzipation schloss auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ein.

Rita Kubitza blickte auf den Stand der Dinge in Europa. Der Rechtsruck in Polen habe auch zu einer Verschärfung des Abtreibungsrechts geführt. Als Gegenbeispiel nannte sie Irland, dessen Bevölkerung sich 2018 mehrheitlich für die Abschaffung des Abtreibungsverbots entschied.

Einige Passanten blieben stehen, um den über Lautsprecher verstärkten Reden zu lauschen. Die meisten aber eilten vorbei. Länger blieben eher die, die vorab von der Kundgebung erfahren hatten. Franziska Siebel schaute sich am Info-Stand um. „Wir Frauen“, meinte die junge Frau, seien durch den Paragrafen 218 in ihren Rechten eingeschränkt. Ehemann Till Sörensen brachte es auf den Punkt: „Der Paragraf muss weg!“ Der Schwangerschaftsabbruch sei ein Thema, bei dem er nichts von staatlichen Eingriffen halte, sagte Sörensen, der bei der kommenden Bundestagswahl als Direktkandidat für die Wuppertaler Linken antritt. Er freue sich, mit den „Aktivistinnen“ von Courage ins Gespräch zu kommen. „Ich fühle mich der Frauenbewegung einfach zugetan.“

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