Campus Wuppertal Wuppertaler forscht in Jerusalem

Wuppertal · Dieter Vieweger arbeitet seit den 1990er Jahren als Archäologe. Jeweils für drei Monate im Jahr lehrt er an der Uni.

 Ein Blick auf den Tell Ziraa, eine der bedeutendsten historischen Siedlungsstätten im Norden Jordaniens, an dem Vieweger lange geforscht hat. 

Ein Blick auf den Tell Ziraa, eine der bedeutendsten historischen Siedlungsstätten im Norden Jordaniens, an dem Vieweger lange geforscht hat. 

Foto: Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes/Biblisch-Archäologisches Institut

Der evangelische Theologe und Archäologe Dieter Vieweger ist einer der renommiertesten deutschen Wissenschaftler in und um Jerusalem. Seit 2005 leitet er die Deutschen Evangelischen Institute für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem und Amman. In drei Monaten eines jeden Jahres forscht er an der Bergischen Universität und lehrt an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel die Fächer Altes Testament und Biblische Archäologie.

Seine Hauptarbeit findet allerdings in Heiligen Land statt. 2001 begann er mit den Ausgrabungen auf einem Tell in Nordjordanien. „Wir haben uns einen Hügel mit einer 30 Meter Schuttschicht ausgesucht, der 5,6 Hektar groß ist. Dort liegen etwa 35 Städte geschichtet übereinander. Das nennt sich Tell: Wir finden oben auf der Oberfläche das Mittelalter und gelangen unten bis zur Mitte des 4. Jahrtausends vor Christus“, fasst Vieweger den Prozess zusammen. Da es sich bei diesem Berg um einen Siedlungshügel mit Quelle handelte, blieb die Lage der Stadt durch alle Zeiten erhalten und besiedelt. „Die Quelle lieferte dort frisches Wasser, so nutzten die Menschen den Tell zu allen Zeiten als Wohnplatz. Das heißt: Wir finden heute die gesamte Kulturgeschichte des Orients auf diesem einen Berg. Das gibt es nur sehr selten.“

In 18 Kampagnen, also einzelnen Ausgrabungszeiten, forscht sich das 70-köpfige Team Viewegers zwischen 2001 und 2011 durch die antike Geschichte. Über das Geheimnis dieses Tells hat der Wissenschaftler sogar ein Kinderbuch geschrieben. Darin vergleicht er die Schichtung der Städte mit einem Spaghetti-Eis, bei dem man sich über Schokostreusel, rote Soße und Sahne bis zum Vanilleeis löffeln müsse.

 Dieter Vieweger

Dieter Vieweger

Foto: UniService Transfer

Über seinen Entdeckereifer, der über allem steht, berichtet der 61-jährige Wissenschaftler heute schmunzelnd. Die Strapazen dahinter lassen sich jedoch unschwer erkennen: „Wir sind zu Anfang mit dem VW-Bus von Wuppertal nach Amman und wieder zurückgefahren, weil wir keinen festen Stützpunkt in Jordanien hatten und das ganze Grabungsgerät inklusive des sperrigen Geräts für die Geophysik mitnehmen mussten. Der Rekord war drei Tage und vier Stunden. Einer fährt, einer hält den Fahrer wach und einer schläft. Das habe ich fünfmal gemacht. Und dann“, sagt er, „hatte ich das riesengroße Glück, mit dem Institut in Jerusalem und Amman in Verbindung zu kommen. Dort brauchte man einen neuen Leiter – nun bin ich seit 15 Jahren dort.“

Seit 2005 ist Dieter Vieweger Leitender Direktor der Institute des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem und Amman. „Das war einer der größten Glücksgriffe meines Lebens“, erklärt Vieweger, dessen Institut auf eine Initiative Kaiser Wilhelms II. im Jahr 1898 zurückgeht. Dessen Annahme und Hoffnung: Unter der von ihm eingeweihten Erlöserkirche liege die Stadtmauer Jerusalems aus der Zeit von Herodes dem Großen (40 bis 4 v. Chr.).

Kultur dies- und jenseits des Jordan, die ausgegraben wird

„Das war dann – archäologisch gesehen – leider alles falsch“, erklärt Vieweger. „Hier hatte man den Wunsch zum Vater der Erkenntnis gemacht.“ Das will Vieweger unter keinen Umständen und sagt bestimmt: „Wenn ich im Heiligen Land grabe, kann ich nicht meine Ideen zum Ziel meiner Forschungen machen.“ Und manchmal entdeckt man auch Unerwartetes: z. B. den in den alten Quellen beschriebenen Berg Golgatha. Inzwischen arbeiten 15 Mitarbeiter in Jerusalem und Amman. „Es ist die eine Kultur dies- und jenseits des Jordan, die wir gemeinsam ausgraben“, berichtet er weiter. Und er ist stolz darauf, dass sein Institut als einzige Institution sowohl in Jordanien als auch in Jerusalem gültige Grabungslizenzen besitzt. Er könne sich bei seiner Arbeit auch auf keine Seite schlagen. Aber: „Es ist ein aufregender Job und ich wüsste keinen schöneren.“

Das Institut habe sich in den vergangenen Jahren entwickelt. „Mittlerweile sind wir in Jordanien als evangelische Einrichtung ein staatlich anerkanntes Institut in einem islamischen Staat“, so Vieweger. Bei all dem Fortschritt habe auch die universitäre Basis in Wuppertal geholfen – das Biblisch-Archäologische Institut ist Anker und Rückhalt für Viewegers Tätigkeiten im Heiligen Land. Hier fließen auch die Drittmittel und Spenden zusammen, die im Jahr etwa eine Millionen Euro bedeuten.

Geld, das nicht nur in Ausgrabungen investiert wird, sondern auch in kulturelle Schutzprojekte. Ein Wuppertaler Doktorand erstellte zum Beispiel unter Viewegers Leitung eine Datenbank, die jüngst landesweit in Jordanien eingeführt wurde. „Es geht vor allen Dingen erst einmal um die Sicherung von Antiken“, sagt Vieweger. Denn der Schwarzmarkt heize Diebstähle und Raubgrabungen an. Deshalb werden Funde markiert und fotografiert und schließlich in die Datenbank, die simultan in Englisch und Arabisch arbeitet, von den Wissenschaftlern eingepflegt.

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