Jubiläum Akkordeon-Orchester begeistert seit 80 Jahren

Vohwinkel/Elberfeld. · Das Ensemble, das im Bürgerbahnhof Vohwinkel probt, hat inzwischen Nachwuchssorgen.

 Zum Jubiläumskonzert durfte sich das Akkordeon-Orchester über 350 Zuhörer freuen.

Zum Jubiläumskonzert durfte sich das Akkordeon-Orchester über 350 Zuhörer freuen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Der Mendelssohn-Saal in der Historischen Stadthalle war nahezu ausverkauft, und rund 350 Besucher waren gespannt auf das Konzert zum 80-jährigen Bestehen des Wuppertaler Akkordeon-Orchesters. Die ohnehin hoch angesiedelten Erwartungen des Publikums wurden noch übertroffen vom abwechslungsreichen Programm der 14 Musiker unter der temperamentvollen Leitung von Silke Schneider.

Egal, ob bei Mozarts „Kleiner Nachtmusik“, der Filmmusik zu „Star Wars“, „The Typewriter“ mit Oliver Kruck an der „Konzert-Schreibmaschine“, der gar nicht tristen „Tristeza“ oder den brillanten Soloauftritten von Vater und Sohn Viktor und Valentin Kulagin, das Ensemble präsentierte sich in Hochform. Und es bedurfte schon gleich dreier Zugaben, ehe die Musikfreunde Silke Schneider und das Akkordeon-Orchester in den Feierabend entließen.

80 Jahre begeistert dieser Eckpfeiler im Wuppertaler Kulturleben sein Publikum, und es bedarf keiner allzu ausgeprägten Phantasie, sich vorzustellen, welchen Pioniergeist die 1940 meist noch schulpflichtigen jungen Musiker beseelt haben muss, als sie mitten im Zweiten Weltkrieg am 15. Januar das Orchester gründeten. Die Akkordeon-Gruppe entwickelte Sogwirkung, denn schon bald schlossen sich weitere Musiker an, sodass man im selben Jahr unter der musikalischen Leitung von Fritz Köhler in der Lage war, in Wuppertal, Bochum und Essen Konzerte zu geben. Geeignete Noten waren damals Mangelware, sodass Improvisation und Unterstützung durch Geigen und Gitarren gefragt waren. Gleichfalls waren immer wieder Neubesetzungen nötig, denn die heranwachsenden jungen Männer im Orchester wurden zur Wehrmacht herangezogen. Die Kriegslage wurde immer bedrohlicher, und nach dem verheerenden Bombenangriff auf Elberfeld im Juni 1943 drohte das Ensemble auseinanderzufallen. Doch man hielt durch, gab 1944 sogar noch Konzerte, bevor 1945 bis zum Kriegsende geplante Auftritte zum Erliegen kamen.

Akkordeon-Orchester
vereint Generationen

Aber die unerschrockenen Musikanten ließen sich nicht unterkriegen, probten in der Gaststätte Kolbe in Elberfeld und traten bei weiteren Konzerten mit Vorliebe da auf, wo Gage in Form von Essbarem gezahlt wurde. Und das Vereinsleben wurde hochgehalten durch „Fettes Zusammensein“, bei dem jeder Teilnehmer 50 Gramm Fleisch, 50 Gramm Brot, fünf Gramm Fett und zwei Kartoffeln beisteuern musste. Gemeinsam ertragene Knappheit, die die Akkordeon-Virtuosen zusammenschweißte. 1950 nannte man sich auch offiziell „Wuppertaler Akkordeon-Orchester“, trat dem Deutschen Harmonika-Verband bei und konnte dank ständiger Weiterentwicklung bei den Konzerten im Fuchspark, auf der Hardt im Zoo oder in Altenheimen auch aus einem umfangreichen Repertoire schöpfen.

1950, da war auch Helga Stöcker schon dabei, die heute mit 86 Jahren nicht nur noch ein unverzichtbares Mitglied des Orchesters ist, sondern mit Tochter Anke und Sohn Martin auch für zwei talentierte Nachwuchsmusiker gesorgt hatte.

Ja, und dann war da noch Tochter Silke, die jetzt Schneider heißt und seit 1993 als Dirigentin vorne steht. Der Kirchenmusikerin, die auch als Chorleiterin arbeitet, ist der Spaß an der Zusammenarbeit mit der großen Akkordeon-Familie bei jeder Geste und ihrem strahlenden Gesicht anzusehen. „Natürlich muss man mit Freude bei der Sache sein“, sagt sie, die die Mitglieder sichtlich zu Höchstleistungen treibt. Auch Thomas Jockisch, der seit 2012 Vorsitzender des Vereins ist und nicht nur mitspielt, sondern auch als Co-Dirigent fungiert.

Unter seiner Regie tritt man zum jeweiligen Jahreskonzert seit dem 75-jährigen in 2015 immer im Mendelssohn-Saal in der Stadthalle auf. „Die Atmosphäre hier ist für die Musikerinnen und Musiker ebenso wie für das Publikum unvergleichlich“, lobt er Wuppertals „gute Stube“.

Die Voraussetzung für die großartigen Auftritte holen sich die Musikanten jedoch in Vohwinkel, wo man inzwischen zur AGVV (Arbeitsgemeinschaft Vohwinkeler Vereine) gehört und im ehemaligen Festsaal der Bahnhofsgaststätte einmal wöchentlich, jeweils donnerstags, probt.

„Auch uns plagen Nachwuchsprobleme“, gibt Jockisch zu und hofft auf interessierte Neuzugänge, die bisher nur Erfahrungen als Klavier- oder Bassspieler gesammelt haben und an das Leistungsniveau behutsam herangeführt werden können. Wie hoch das ist, bestätigte Konzertbesucher Klaus Prietz, der selbst die „Wuppertaler Originale“ viele Jahre als Akkordeonspieler begleitet hat. „Wenn man das sieht und hört, kann man nur Minderwertigkeitskomplexe bekommen.“

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