Offen gesagt Versuchen reicht nicht

Wuppertal · Aber die Wirtschaft in Wuppertal besteht wie überall nicht nur aus Kolossen wie Bayer, Vorwerk, Barmenia und Barmer. Die Mehrheit der Arbeitsplätze sind in kleinen und mittelständischen Betrieben angesiedelt.

Wuppertal: Wirtschaftsförderung fängt schon bei Kleinstbetrieben an
Foto: Schwartz, Anna (as)

Solche Geschichten schaffen es im Großen normalerweise nicht einmal in die Fußnoten. Deshalb ist es ganz nützlich, dass Lokaljournalismus sich auch dem Kleinen widmet, dem Großmarkt an der Varresbeck zum Beispiel. Der hat in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch den Wandel im Handel an Bedeutung verloren, fristet ein Schattendasein. Dass es ihn überhaupt noch gibt, ist im Wesentlichen Bergischem Unternehmertum zu verdanken. Kommunale Konzepte gab und gibt es für den freilich privat geführten Markt nicht. Dabei hat Partnerschaft zwischen Städten und Unternehmen andernorts schon sehr häufig zu guten Ergebnissen für alle Beteiligten geführt. Für Wuppertal gilt das nur bedingt, und im Falle des Großmarktes gilt es gar nicht. Der wächst nun trotzdem,  was dazu führt, dass ein vermeintlich kleiner Obsthändler dort keinen Platz mehr haben wird. Zum Jahresende soll die noch kurze Firmengeschichte am Standort Varresbeck abgeschlossen werden. Im Großen schaffen es die sechs Arbeitsplätze nicht einmal in den Fußnotenstatus. Im Kleinen sind sie bedeutend, anscheinend allerdings nur für die direkt Betroffen und für Lokaljournalismus. Die Stadtverwaltung hingegen erweckte bisher nicht den Eindruck, dass ihnen am Fortbestand des jungen Unternehmens und dessen Beschäftigungsverhältnissen gelegen ist. Mit dem Hinweis darauf, dass der Großmarkt ja Privatbesitz sei und der Stadt deshalb die Hände gebunden seien. Die Wirtschaftsförderung versuche, zu helfen.

Das ist ein Alarmsignal. Es ist bedrohlich, weil schon in der Aussage das Scheitern transportiert wird. Dass der Obsthändler sich von der Stadt im Stich gelassen fühlt, dass er offensichtlich allein gegen das Unausweichliche ankämpft, spricht Bände darüber, wie Wuppertal sein Wirtschaftsleben organisiert. Es passt zu dem Umstand, dass die Stadt nie das Heft des Handels in der Hand zu halten scheint, wenn es um Investitionen und Stadtentwicklung geht, es passt zum Umstand, dass Wirtschaftsentwicklung seit Jahr und Tag am Fehlen geeigneter Flächen scheitert, von Plänen und Konzepten ganz zu schweigen.

Zweifellos sind sechs Arbeitsverhältnisse nicht viel, gemessen an den etwa 120 000, die es in dieser Stadt gibt. Aber die Wirtschaft in Wuppertal besteht wie überall nicht nur aus Kolossen wie Bayer, Vorwerk, Barmenia und Barmer. Die Mehrheit der Arbeitsplätze sind in kleinen und mittelständischen Betrieben angesiedelt. Deshalb wiegen sechs Arbeitsplätze schwer. Sie haben Gewicht, weil es hier sechs sind und dort zehn und da vielleicht nur drei.

Deshalb haben Obsthändler, Schneidereien, Bäckereien, Kfz-Werkstätten und ähnliche Betriebe mehr Achtung und Wertschätzung verdient. Und deshalb ist eine Aussage wie „da sind uns die Hände gebunden“ und „wir versuchen zu helfen“ keine Angebote, sondern Absagen. Und das ist etwas, das Wuppertal sich angesichts von fast 20 000 Arbeitslosen und mehr als 50 000 Hartz-IV-Empfängern überhaupt nicht leisten kann.

Aus diesem Grund kann es bei Problemen wie denen des Obsthändlers an der Varresbeck nur richtig sein, mit Solingen, Remscheid, Velbert, Haan und Wülfrath zu kooperieren. Oberzentrumsgehabe ist an dieser Stelle vollkommen fehl am Platze. Irgendwo im Dunstkreis Wuppertals wird es geeignete Flächen geben, auch wenn Wuppertal dann nicht von der Gewerbesteuer profitiert. Aber es ist besser, wenn Wuppertaler zum Arbeiten ins direkte Umland fahren, als zum Stempeln ins Jobcenter.

Das geht anders, das geht besser. Das ist eine schöne und wichtige Aufgabe für den Oberbürgermeister der nächsten fünf Jahre. Wie auch immer der heißen mag.

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