Analyse Wenn ein Beruf nicht zum Leben ausreicht

Wuppertal · Fast jeder Zehnte in Wuppertal hat einen Zusatzjob und muss Geld hinzu verdienen - die Tendenz ist steigend.

Wuppertal: Wenn ein Beruf nicht zum Leben ausreicht
Foto: picture alliance / dpa/Sebastian Willnow

Immer mehr Menschen in Wuppertal müssen neben ihrem eigentlichen Beruf in einem Zweitjob Geld hinzu verdienen. Von 2010 bis 2018 stieg die Zahl der Mehrfachbeschäftigten von 11 377 auf 13 425 (neun Prozent). Die Kurve zeigt seit acht Jahren nach oben. „Für 2019 liegen noch keine aktuellen Zahlen vor, aber ein anhaltender Trend zeichnet sich deutlich ab“, sagt Oliver Pfumfel, Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen. „Amerikanische Verhältnisse“ gibt es zwar in Wuppertal noch nicht, aber die steigende Zahl befristeter und prekärer Beschäftigungsverhältnisse führt dazu, dass immer mehr Menschen gezwungen sind, mehr als nur einer Beschäftigung nachzugehen. Dabei können sowohl sozialversicherungspflichtige als auch geringfügig entlohnte Tätigkeiten kombiniert werden. Ende 2016 wurden bundesweit mehr als 3,2 Millionen Mehrfachbeschäftigte registriert. In Remscheid (9,8 Prozent) und Solingen (10,1 Prozent) lag die Quote 2018 leicht über dem Wuppertaler Wert.

Überdurchschnittlich viele Frauen haben gleich mehrere Jobs

„Wir sollten uns nicht darauf berufen, dass die Quote woanders noch schlechter ist“, sagt Sozialdezernent Stefan Kühn. Der Veränderung der Arbeitswelt könne die Stadt nur sehr schwer gegensteuern. Vor allem der Bund als Gesetzgeber sei gefragt, zum Beispiel mit einer Begrenzung von zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen. „Wo früher der Familienvater 40 Stunden gearbeitet hat und eine Familie davon leben konnte, sind es nun zwei mit jeweils 20 Stunden, für die es nicht ausreicht“, so Kühn.

Mit 55,8 Prozent stehen Frauen häufiger als Männer in einem mehrfachen Arbeitsverhältnis. Am häufigsten arbeiten Mehrfachbeschäftigte in folgenden Berufsgruppen: Reinigungsberufe (16,7 Prozent), Gesundheitsberufe (11,8 Prozent), Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe (9,5 Prozent) sowie Fertigungsberufe (9,3 Prozent) und soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe (9,1 Prozent). Vor allem für Frauen ist das eine Herausforderung, denn sie tragen in vielen Familien die Hauptlast bei der Betreuung der Kinder und der Führung des Haushalts.

148 403 Personen waren im Juni 2018 am Arbeitsort Wuppertal beschäftigt, darunter etwa 125 000 sozialversicherungspflichtig. Über die Altersgruppen sind die Mehrfacharbeiter relativ gleichmäßig verteilt. Den stärksten Anteil haben die Berufstätigen zwischen 45 und 55 Jahren mit 26,7 Prozent, knapp gefolgt von den Altersgruppen 25 bis 35 Jahre (22,4 Prozent) und 35 bis 45 Jahre (20,8 Prozent). Mit 15,6 Prozent ist die Altersgruppe 55 bis 65 Jahre noch relativ stark vertreten. Selbst für das Rentenalter ab 65 verzeichnet die Statistik mit 2,1 Prozent einen kleinen Anteil von Doppelverdienern.

42 Millionen Euro stehen dem Wuppertaler Jobcenter in diesem Jahr zur Verfügung, um Menschen fit für einen Vollzeitjob zu machen. „Das ist so viel Geld wie noch nie. Es wird in Wuppertal komplett in die Qualifizierung fließen“, kündigt Stefan Kühn an. Das Projekt „Fair eingestellt“ ziele darauf, Langzeitarbeitslose in Vollzeitstellen und eben nicht in Minijobs zu vermitteln.

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