JVA Ronsdorf Lessing geht auch hinter Gittern

Jugendliche Straftäter zeigten in der JVA Ronsdorf eine Neufassung der Ringparabel.

Szene aus der Theateraufführung in der JVA Ronsdorf.  Foto: Stefan Fries

Szene aus der Theateraufführung in der JVA Ronsdorf. Foto: Stefan Fries

Foto: Fries, Stefan (fri)

Ein Vater schenkt seinen drei gleichermaßen geliebten Söhnen ununterscheidbare Ringe und vermacht damit jedem von ihnen sein Erbe. Mit der sogenannten Ringparabel antwortet in Lessings „Nathan der Weise“ der gleichnamige Protagonist auf die Frage, welche der drei großen Religionen die richtige sei. Neun junge Männer aus der JVA Ronsdorf zeigten am Donnerstag den von Hans-Peter Küpper intelligent bearbeiteten Stoff unter dem Titel „Der Herr des Rings“ – ein Stück im Stück über Freundschaft, Toleranz und Durchhaltevermögen.

Im vergangenen Jahr inszenierten der Schauspieler Kai Bettermann und die Pfarrerin und Seelsorgerin Ulrike Hollander bereits mit großem Erfolg die Geschichte von Kain und Abel mit Jugendlichen der JVA. Diesmal fiel die Wahl auf die Ringparabel – aus verschiedenen Gründen: „Ich finde diesen Text wunderschön“, so Bettermann. „Und auch vom Thema her ist das ein ziemliches Ding.“ Klug und hochaktuell sei die Geschichte, die zu Toleranz unter den Religionen aufruft.

Innerhalb von zwei Monaten erarbeitete der Schauspieler das Stück mit den Jugendlichen, anfangs in wöchentlichen Proben, kurz vor der Aufführung in intensiven Probentagen. „Sie können sich nicht vorstellen, was das für eine Wahnsinnsarbeit war“, so Kai Bettermann nach der gelungenen Uraufführung erschöpft, aber zufrieden.

Bis kurz vor der Aufführung war nicht sicher, ob alles klappt

Jede Probe habe von der aktuellen Stimmung der Jugendlichen abgehangen. „Es gab Höhen und Tiefen“, gab auch einer der Darsteller zu. Einige Mitwirkende seien nach den ersten Proben abgesprungen, das Stück habe immer wieder umgekrempelt und gekürzt werden müssen. „Bis Montag wussten wir nicht, ob wir es schaffen.“ Aber Spaß hat es gemacht, da sind sich die Darsteller einig.

Die Probleme der Probenarbeit wurden geschickt mit dem Originaltext Lessings verwoben: In „Der Herr des Rings“ werden Schauspieler verschiedener Religionen für eine Inszenierung der Ringparabel gesucht. „Aber auswendig lernen tun wir nix!“, lautet der Running Gag, der bereits eine Schwierigkeit des Theaterprojekts parodiert. Beim Aufeinandertreffen der Religionsvertreter gehen diese im Stück zunächst aufeinander los. Auch bei der Erarbeitung habe die thematisierte Religionszugehörigkeit zu Problemen geführt, berichtete Ulrike Hollander – keiner der Moslems habe einen Juden spielen wollen. „Daran ist das Projekt fast gescheitert“, so Hollander. Schließlich wurden die Differenzen aber doch überwunden – ebenso wie im Stück, in dem letztlich ebenfalls alle an einem Strang ziehen, um die Theatervorstellung realisieren zu können.

„Die Jugendlichen lernen sich dabei selbst noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen“, erklärte Ulrike Hollander das Ziel des Projekts. Die meisten seien vor der Aufführung wahnsinnig aufgeregt gewesen. Andere hatten im Vorfeld bereits Bühnenerfahrung gesammelt: „Ich habe schon vor Publikum Musik gemacht, deswegen war ich nicht so nervös“, verriet einer der Darsteller, der sich freiwillig für einen größeren Sprechanteil gemeldet hatte.

Nach Hollander erfüllt das Theaterprojekt genau die Funktion, die man von Vollzug erwartet: Eigenverantwortung, Disziplin und Resozialisierung. Dabei gehe es nicht darum, perfekte Theaterkunst zu zeigen, fügte Kai Bettermann hinzu. „Die Jungs sollen sich spüren, ihren kreativen Kern entdecken.“ Und das sei ihnen gelungen: „Es war ein Kampf. Aber heute sind sie über sich hinausgewachsen.“ Die Leistung der sichtlich gelösten Jugendlichen wurde schließlich mit stehenden Ovationen und Jubelrufen belohnt.

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