Wuppertal stellt sich auf Arbeitskräfte aus dem Osten ein

Sorge um Preisniveau in der Pflege. Industrie erwartet keine Zuwanderungswelle.

Wuppertal. Bürger aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn dürfen ab morgen ohne Arbeitserlaubnis in Deutschland arbeiten. Denn die Beschränkungen, mit denen Deutschland die Freizügigkeit eingeschränkt hatte, fallen weg. Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt in Wuppertal — insbesondere bei der Pflege?

Marie Luise Adams, Vorsitzende der AG freie ambulante Krankenpflege, sorgt sich nun, dass das Preisniveau in der Pflege weiter gedrückt wird. „An den schlechten Bedingungen für die Pflegekräfte ändert sich dadurch nichts. Mit billigen Arbeitskräften lösen wir das Problem nicht“, sagt sie. Sie fordert deshalb, dass die Strukturen grundsätzlich verändert werden.

„Es ist schwer, an qualifiziertes Pflegepersonal zu kommen, alle Dienste haben großen Bedarf“, sagt Susanne Bossy vom Caritasverband. Die Caritas hat unter anderem über das Begegnungszentrum gute Kontakte nach Polen und will ein Konzept entwickeln, um Fachkräfte gezielt vermitteln zu können. Bossy vermutet allerdings, dass vor allem der Bereich der unqualifizierten polnischen Kräfte, die in den Familien arbeiten, zunehmen wird. „Das sehen wir kritisch. Da besteht die Gefahr, dass alte pflegebedürftige Menschen unterversorgt sind.“ Die Caritas versorgt im ambulanten Bereich rund 550 Menschen.

Diakoniedirektor Martin Hamburger begrüßt die Öffnung des Arbeitsmarktes mit Blick auf den großen Fachkräftemangel in der ambulanten wie stationären Pflege. „Da brauchen wir die Hilfe aus Osteuropa“, sagt er. Allerdings dürfe die Entwicklung nicht zu Lasten der Langzeitarbeitslosen gehen und außerdem müsse der Mindestlohn eingehalten werden. Die Diakonie hat fünf ambulante Pflegedienste in der Stadt, die rund 1000 Menschen versorgen.

Die Stadt rechnet nicht mit einem Ansturm von Arbeitskräften auf ihre Pflegeheime. Die Anerkennung der Abschlüsse und von Qualitätsstandards sei nicht immer einfach, sagt Ulrich Renziehausen, Betriebsleiter der Altenpflegeheime. Der Bedarf an Hilfskräfte ohne Examinierung sei gedeckt, schwieriger sei es allerdings, Führungskräfte zu finden.

Die Bergische IHK rechnet ebenso wenig wie die IG Metall mit einer Zuwanderungswelle ab Anfang Mai. Uwe Mensch von der IHK zufolge sind viele Wanderungswillige bereits in Länder gegangen, die keine Einschränkungen hatten. Was die Sorgen angeht: In diesen Ländern habe es keine großen Verdrängungen gegeben. Insgesamt biete die Arbeitnehmerfreizügigkeit eher Chancen als Gefahren. Dazu bedürfe es jedoch auch einer gewissen Willkommens-Kultur.

Knut Giesler von der IG Metall kann ebenfalls zumindest in der Industrie keine Signale für große Gefahren wie etwa Lohndruck entdecken. Das werde ab Mai kaum zu Explosionen führen. Unklar sei jedoch, wie sich das Thema beim Handwerk spiegele. Dort gebe es ein verwandtes Problem, das nach wie vor eine Herausforderung darstellt: die Schwarzarbeit.

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