„Wuppertal spricht Klartext“ WZ talkt zum Thema Integration und fragt: Wie kann unsere Stadt bunter werden?

Wuppertal · Mehr als 40 Prozent der Wuppertaler haben einen Migrationshintergrund. Wie gut funktioniert das Zusammenleben und wo kann dafür noch mehr getan werden?

 Über Integration diskutierten (v.l.): Nkozi Muyisa Muhindo, Redakteurin Katharina Rüth, Gerard Ulsmann und Dilek Engin.

Über Integration diskutierten (v.l.): Nkozi Muyisa Muhindo, Redakteurin Katharina Rüth, Gerard Ulsmann und Dilek Engin.

Foto: Maren Boots

Um diese Frage drehte sich die Diskussionsveranstaltung der Reihe „Wuppertal spricht Klartext“ zum Thema Integration. Redakteurin Katharina Rüth sprach mit Dilek Engin, Lehrerin an der Gesamtschule Else Lasker-Schüler, SPD-Ratsmitglied und Vorsitzende des Integrationsausschusses, mit Gerard Ulsmann, FDP-Ratsmitglied, und mit Nkosi Muyisa Muhindo, für die Grünen im Integrationsausschuss, Politikwissenschaftler und Projektmanager für die Kookaburra gGmbH, die sich mit Integration und Diversity beschäftigt.

Die große Vielfalt der Menschen in Wuppertal sahen die Diskussionsteilnehmer positiv, wiesen aber auch auf Defizite hin. Gerard Ulsmann betonte, diese Vielfalt sei nichts Besonderes mehr: „Man ist damit aufgewachsen.“ Dilek Engin bestätigte: Unter ihren Schülern sei die Herkunft „überhaupt kein Thema“.

Den Dialog intensivieren

Defizite sieht sie etwa noch bei der Arbeitssuche, bei der Menschen diskriminiert werden. Das abzubauen, dazu solle ein Antrag der demokratischen Parteien beitragen, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund bei Einstellungen der Stadtverwaltung berücksichtigt werden.

Nkosi Muyisa Muhindo mahnte, die tatsächliche Vielfalt müsse auch gelebt werden, Communitys müssten auch mit ihrer Perspektive gesehen werden. Es kämen zwar verschiedene Menschen etwa in Fußballvereinen zusammen, doch was sie darüber hinaus erlebten, werde nicht thematisiert.

Deshalb müsse der Dialog intensiviert werden, Raum sein, um Diskriminierungen transparent zu machen, um sie dann abzuschaffen. Die Kookaburra gGmbH organisiere daher Veranstaltungen, bei denen etwa Parteien oder Vertreter der Stadtverwaltung mit Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zusammenkommen, um die jeweils andere Perspektive kennenzulernen.

Dilek Engin berichtete, wie sie Schülerinnen und Schüler ermutige, ihre Interessen etwa in der Schülervertretung der SV wahrzunehmen und wählen zu gehen. Als SPD besuchten sie zudem Migrantenvereine, um auf Möglichkeiten zur Teilhabe und Mitwirkung aufmerksam zu machen: „Man muss ja nicht Berufspolitiker werden, sondern kann Politik auch als Ehrenamt ausüben.“

Förderung von Kindern: Weitere Anstrengungen nötig

Gerard Ulsmann plädierte dafür, dass Parteien neue Wege gehen, um auch Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen: „Wir müssen aus unserer Komfortzone heraus.“ Nkosi Muyisa Muhindo sagte, Parteien könnten mit Hilfe von „Brückenbauern“, Multiplikatoren, Verbindungen in die Communitys aufbauen und herausfinden, was die Menschen dort bewegt und sie zur Teilhabe motivieren. „Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Parteien auch bereit sind, Themen aufzugreifen.“ Es reiche nicht, nur die Tür zu öffnen, sondern man müsse den Menschen auch Gelegenheit geben, sich zu entfalten. „Da sehe ich noch Handlungsbedarf bei allen Parteien.“ So habe er etwa Enttäuschung darüber erlebt, dass es beim Thema Kopftuch keine Diskussion gegeben habe, sondern nur relativ feste Meinungen.

Parallelgesellschaften wollten die Diskussionsteilnehmer nicht generell negativ bewerten. „Es gibt solche und solche“, sagte Dilek Engin. Nur wenn sich dort extreme Gedanken entwickelten, könnten Parallelgesellschaften zum Problem werden. Dabei betonte sie, dass die Sprache und Bildung das A und O für Integration seien. Nkosi Muyisa Muhindos Kritik an unzureichender Förderung von Migrantenkindern hielt sie entgegen, dass es im schulischen Bereich bereits viele Verbesserungen gebe. Er gestand das zu, stellte aber auch fest: „Es braucht definitiv weitere Anstrengungen.“

„Wir müssen klarmachen, dass wir ein Einwanderungsland sind“

Gerard Ulsmann mahnte. „Das Problem ist, dass die Akzeptanz schwindet, wenn das Verständnis schwindet.“ Es dürfe nicht dazu kommen, dass Menschen nicht wüssten, wohin sie sich mit ihren Problemen werden können: „Wir müssen mehr ,Ansprechstellen‘ schaffen“, findet er, das dürfe die Stadt nicht allein Wohlfahrtsverbänden überlassen. Zudem sei das Hilfesystem für Zuwanderer sehr kompliziert, besser wäre etwa ein Bürgergeld, damit die Menschen nicht mit zehn unterschiedlichen Stellen zu tun haben.

Nkosi Muyisa Muhindos Empfehlung: Die Mehrheitsgesellschaft solle Offenheit signalisieren, aber Zuwanderern auch Zeit lassen, anzukommen. Vielleicht bräuchten diese zunächst mehr Unterstützung durch andere Menschen in der gleichen Situation. Außerdem solle man darauf hören, was sie brauchen, und ihnen nicht etwas nach eigenen Maßstäben vorsetzen.

Gerard Ulsmann kritisierte, dass die Zuwanderungsdebatte nie offen geführt worden sei, noch immer gebe es den Gedanken, dass Zuwanderer nicht lange bleiben. „Wir müssen klarmachen, dass wir ein Einwanderungsland sind.“ Dann sei für die Zuwanderer klar, dass sie sich integrieren müssen. Und Deutschland müsse mit einem Einwanderungsgesetz klare Regeln schaffen. Red

(Red)
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