Wuppertal soll eine Stadt für „Alltagsradfahrer“ werden

Die IG Fahrradstadt sieht das Rad als Verkehrsmittel — und hat viele Ideen.

Wuppertal soll eine Stadt für „Alltagsradfahrer“ werden
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Viele Räder dürften noch irgendwo im Keller stehen und auf ihren Einsatz warten. Doch die Saison hat praktisch schon angefangen. Wer sich davon überzeugen will, muss nur bei einigermaßen schönem Wetter einen Blick auf die Nordbahntrasse werfen. Doch Wuppertal soll nicht nur eine Stadt für Freizeitradler sein. „Wir wollen einfach, dass die Leute überhaupt mehr radfahren“, erklärt Stephan Lerch, einer der Initiatoren der Interessengemeinschaft (IG) Fahrradstadt Wuppertal. Was ihn und seine Mitstreiter eint? Christoph Grothe und Markus Ohligschläger bringen es auf den Punkt: „Wir sind Alltagsfahrradfahrer.“

Sprich: Nicht das Radeln in der Freizeit steht im Vordergrund: „Darum kümmern sich andere.“ Fahrten zur Arbeit, zur Schule, von A nach B — das Fahrrad soll vielmehr Verkehrsmittel sein. Die drei sind überzeugt: Wuppertal hat in dieser Hinsicht großes Potenzial. Allerdings, räumen die drei ein, müssten sich darauf auch die Autofahrer einstellen. „Es gab hier früher einfach kaum Radfahrer, daran müssen sie sich jetzt gewöhnen.“ Rücksichtnahme gelte aber für beide Seiten.

Im September hatte sich die IG gegründet. Ihre Basis: Der Bahnhof Mirke, wo neben dem Reparaturcafé auch ein Fahrradverleih betrieben wird. 20 Mitglieder hat die Gemeinschaft bereits — und viele Pläne. „Es ist wie beim Spiel Super Mario: Es geht immer ein Level höher“, erklärt Grothe. Die ersten Projekte stehen bereits vor der Umsetzung.

Doch macht Fahrradfahren im Bergischen Land Spaß? Es gebe viele Vorurteile, sagt Grothe. „Und die Berge kann man natürlich nicht wegdiskutieren.“ Allerdings könne man trotzdem machbare Strecken finden. Helfen soll dabei in Zukunft die Urban Bike Map, eine Fahrradkarte, die das Team entwickelt hat. „Das Besondere: Es ist keine Autokarte mit Fahrradwegen“, erklärt Grothe. Die Straßen spielen in der Darstellung nur eine Nebenrolle.

Ziel sei es, dass Fahrradfahrer Alternativen zu steilen, engen oder mit viel Autoverkehr belasteten Strecken finden. Ein Beispiel: Anstatt sich die Briller Straße hochzuquälen, gebe es die Route über die Funckstraße — natürlich mit Anbindung an die Nordbahntrasse, „unseren Fahrrad-Highway“, wie die drei schmunzelnd erklären.

Christoph Grothe, IG Fahrradstadt

Bei den Schwierigkeitsgraden orientiert sich die Karte an Skigebieten: Aus blauen, roten und schwarzen Pisten werden Smooth, Smart und Speed Ways (leichte, pfiffige und schnelle Wege).

Kerngebiet ist die innerstädtische Talachse von der Varresbeck bis Barmen. Die Südhöhen fehlen. „Allerdings haben wir die Verbindung zur Sambatrasse aufgenommen“, sagt Ohligschläger. Grothe betont, dass die Karte „aus der Praxis kommt“: „Wir haben alles abgefahren.“ Die Urban Bike Map wollen sie ab Sommer kostenlos verteilen. „Für den Druck suchen wir noch Sponsoren“, so Lerch.

Rundum glücklich seien die Fahrradfahrer in der Stadt natürlich noch lange nicht. Deshalb arbeitet die IG an einem digitalen Wunschbaum: Radfahrer können dort ihre Anregungen, Wünsche und Beschwerden hinterlassen. Die IG sammelt diese und leitet sie gebündelt an die Verwaltung weiter. So soll zum Beispiel vermieden werden, dass sich Stadtmitarbeiter immer wieder mit den gleichen Problemen auseinandersetzen müssen.

NBTX — hinter diesem Kürzel verbirgt sich der Trassenexpress. Die Idee kam der IG im Dezember. Lose habe man sich mit anderen Radlern zu einer Fahrt nach Wichlinghausen zur offiziellen Trasseneröffnung verabredet, erinnert sich Lerch. Startpunkt war Vohwinkel, wer wollte, konnte unterwegs einsteigen. Mehr als 100 Teilnehmer waren es am Ende — „trotz des sehr schlechten Wetters“. Nun soll es eine Online-Plattform geben, auf der sich Radler, aber auch alle anderen Nutzer verabreden können. „Schüler können gemeinsam zur Schule fahren oder laufen, Joggingpartner zusammenfinden oder Leute ein Teilstück des Arbeitsweges gemeinsam zurücklegen.“

Um das Zusammenkommen zu erleichtern, hat die IG Karten entwickelt, die zeigen, wie lang man auf der Trasse von Punkt A bis B braucht. Die ehemaligen Bahnhöfe zwischen Wichlinghausen und Vohwinkel sind erfasst, dazu die Entfernungen und die Zeiten, die schnelle und „normale“ Radfahrer, Skater, Jogger und Spaziergänger ungefähr benötigen.

Hinweisschilder für die Trasse sind in der Planung, ebenso eine Handy-App des NBTX. Derzeit laufe die Programmierung. Eine Homepage-Beta-Version ist bereits nutzbar — allerdings noch ohne den „Vernetzungscharakter“: www.trassenexpress.de

Der Bikecounter ist bereits in Verwendung: An verschiedenen Punkten auf der Trasse oder im Stadtgebiet zählen die IG-Mitglieder die Fahrradfahrer per Strichliste. In Zukunft wollen sie auch Fußgänger und alle anderen Nutzer erfassen.

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