Begegnungsstätte Alte Synagoge Der Pogrom gegen die Juden

Die Begegnungsstätte Alte Synagoge richtet anlässlich des  80. Jahrestags eine Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, Fortbildungen, Ausstellungen und einer Buchvorstellung aus.

zerbrochene zukunft

zerbrochene zukunft

Foto: ulrike schrader/wz

Vor 80 Jahren brannten im damaligen Deutschen Reich über tausend Synagogen. Fanatische Nationalsozialisten brachen in Geschäfte jüdischer Inhaber ein und plünderten die Schaufenster. Jüdische Familien wurden in ihren Wohnungen überfallen, gedemütigt und misshandelt, Mobiliar demoliert und gestohlen. Die Polizei verhaftete jüdische Männer zu Tausenden und setzte sie fest, bevor man sie in Konzentrationslager verschleppte. Mit dieser als „Vergeltungsaktion“ inszenierten Gewalt spitzte sich die Lage der Juden in Deutschland drastisch zu.

Auch in Wuppertal brannten in der Nacht zum 10. November 1938 die beiden großen Synagogen – an der Genügsamkeitstraße in Elberfeld und an der Scheurenstraße (heute: Zur Scheuren) in Barmen. Die kleinen Betsäle an der Luisenstraße wurden demoliert, die Friedhofskapellen angezündet und geplündert. 90 Männer verhaftete die Polizei und verschleppte sie in das Konzentrationslager Dachau – der jüngste war 16 Jahre alt.

Anlässlich des 80. Jahrestages der Pogrome gegen die Juden 1938 richtet die Begegnungsstätte eine mehrteilige Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, Fortbildungen, Ausstellungen und einer Buchvorstellung aus, die mit der offiziellen Gedenkstunde der Stadt Wuppertal am Sonntag, den 11. November, endet.

Buchpräsentation
am Sonntag, 28. Oktober

Die Reihe beginnt mit einer Buchpräsentation: „Zerbrochene Zukunft.

Der Pogrom gegen die Juden in Wuppertal im November 1938“ von Ulrike Schrader. Zum ersten Mal liegt damit auch für Wuppertal eine gründliche Studie vor, die über die Hergänge dieser Novembertage informiert – beginnend mit der „Polenaktion“ vom 28. Oktober 1938 bis zur juristischen Aufarbeitung der Verbrechen und ihrem Platz in der Wuppertaler Erinnerungskultur. Am Sonntag, 28. Oktober, 17 Uhr, findet in der Evangelischen Citykirche Elberfeld am Kirchplatz eine Buchvorstellung mit Ulrike Schrader und Christine Hartung statt.

Was von der Synagoge in Wuppertal-Elberfeld nach dem Pogrom übrigblieb, ist heute die Ruine im Garten der Begegnungsstätte Alte Synagoge. Sie ist das Herzstück der Gedenkstätte und damit die eigentliche Auftraggeberin: Zu erzählen, was im November 1938 an dieser Stelle und an den anderen „jüdischen Orten“ in Wuppertal geschehen ist. Das geschieht seit nun bald 25 Jahren. In dem Buch ist nachzulesen, was sich in Wuppertal in diesen Tagen und Nächten zutrug und was der Pogrom für die jüdischen Familien in Wuppertal bedeutet hat.

Die Buchvorstellung wird musikalisch begleitet von Michael Gehlmann, Bratschist im Wuppertaler Sinfonieorchester. Er spielt die berühmte und schwierige Sonate op 25 von Paul Hindemith. Der Eintritt zur Lesung ist frei. Das Buch ist am Abend der Präsentation, später in der Begegnungsstätte und in allen Buchhandlungen erhältlich.

Szenische Lesung
und offizielle Feierstunde

In der Dauerausstellung der Begegnungsstätte Alte Synagoge wird ein neu installiertes Modul präsentiert. Mit dem neuen Element nimmt die Begegnungsstätte Alte Synagoge die Herausforderung an, auch das Thema „Antisemitismus“ zu behandeln – obwohl das nicht „jüdische“, sondern „antijüdische Geschichte“ ist. Aber über Antisemitismus muss man reden, über Vorurteile sprechen, Gerüchte überprüfen und Verschwörungsfantasien entlarven. Dazu soll die neue Installation anregen, die mit Mitteln des Bürgerbudgets Wuppertal realisiert werden konnte.

Ein Abend der Reihe befasst sich mit der Konferenz von Évian im Juli 1938, als 32 Staaten über die „Flüchtlingskrise“ der deutschen Juden beraten haben. Mit diesem Thema haben sich Studierende der Bergischen Universität beschäftigt, die eine szenische Lesung dazu erstellt haben. Erwartet wird zu diesem Anlass der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser im Ministerium für Kultur und Wissenschaft und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen, der im Anschluss an die Lesung mit Antonia Dicken-Begrich, Vorsitzende des Trägervereins Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, über neue Formen der Erinnerungskultur sprechen wird.

Die offizielle Feierstunde der Jüdischen Kultusgemeinde wird am 9. November um 11 Uhr auf dem jüdischen Friedhof begangen werden. Höhepunkt der Reihe ist das abschließende Konzert in der Friedhofskirche, zu dem im Auftrag des Rates der Stadt Wuppertal der Oberbürgermeister einlädt. Zu hören sind Musikwerke, die vor ihrer Zerstörung in den deutschen Synagogen zu hören waren: Werke jüdischer Komponisten, die in der Tradition der europäischen Klassik und Romantik standen und jüdische Gebete und Lieder mit dem Formenschatz kirchenmusikalischer Chor- und Orgelmusik verbunden haben. Einer dieser Komponisten, deren Werke zu hören sein werden, ist der Oberkantor der jüdischen Gemeinde Elberfeld, Hermann Zivi. Das Konzert ist also eine seltene und auch erste Gelegenheit, diese musikhistorischen Dokumente in hoher Qualität zu hören. Red

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