Aktion des Hospizvereins „Pusteblume“ Plakate „sprechen“ über das Tabu-Thema Sterben

Wuppertal · Hospizverein „Pusteblume“ will mit dem Projekt „Wenn ich die Wahl hätte“ Menschen auch irritieren.

 Achim Konrad stellt die Plakat-Aktion des Hospizvereins „Pusteblume“ vor.

Achim Konrad stellt die Plakat-Aktion des Hospizvereins „Pusteblume“ vor.

Foto: Fischer, Andreas

Sauber Kante an Kante, gerade und natürlich abgesprochen: Es soll keine wilde Guerilla-Aktion werden, was der Hospizverein „Pusteblume“ am späten Wahlsonntag vorhat. Irritieren soll das Projekt „Wenn ich die Wahl hätte“ aber schon – und so zum Nachdenken und ins Gespräch bringen.

Kommunikation ist für die an der Blankstraße ansässige Stelle ein zentraler Punkt. Dass es daran oft fehlt, sieht Koordinator Achim Konrad im schwierigen Thema begründet: „Das Tabu steht dem Reden übers Sterben häufig im Weg.“ Fatal – denn Bedarf zum Austausch gebe es gerade rund ums Lebensende sicher genug. Hier will die Aktion nun einen Anstoß geben. Idee ist der Gedanke der Wahl - deshalb  der Zeitpunkt dieser Sonntag. Auch wenn sich das Sterben nicht komplett planen lässt, ist Konrad überzeugt, dass viel an Entscheidung zum eigenen Lebensende möglich ist: „Man kann viel machen“ – von Seelsorge bis Palliativmedizin.

Zwölf verschiedene Plakate sind es, die dabei mit persönlichen Statements in die Welt kommen sollen – und auf welche Art sie es tun, lässt ahnen, dass auch zur Todesthematik mitunter viel Kreativität und Vitalität kommen. Punkt 18 Uhr, wenn die Wahllokale schließen, haben die Plakat-Halterungen ihren Dienst getan, die seit Wochen mit Slogans und Gesichtern allseits das Straßenbild prägen. Ab dann will das Team sich mit Klebeband präparieren und vom Hospizbüro ausschwärmen – zu den Litfaßsäulen und Laternenmasten im Viertel. Bis hoch zur Uni sollen tags darauf statt Politiker-Phrasen die Sätze zum Sterben für Staunen sorgen. Und damit  für Kontakt und Gespräche.

Die Befragten, mit denen Konrad je nach Bedarf Unterhaltungen von zehn Minuten bis hin zu zwei Stunden führte, leben oder arbeiten alle in der Südstadt. Und der soziale Kontakt im Quartier ist den Machern der Aktion wichtig. „Im Wald, freier Himmel, unter einem Baum liegend“ ist Nachbarin Heike Immels Vorstellung zum Sterben, wenn sie „die Wahl hätte“. Seelsorger Ismail Gunia wünscht sich „selbstbestimmtes Sterben, in vertrauter Gemeinschaft“. Doch es sind nicht nur erhoffte Szenarien für die finale Lebenszeit, die die befragten Menschen artikulieren. So reflektiert Danielle Bouchet: „Wer erinnert sich an seinen ersten Schrei, wer wird sich an seinen letzten Atemzug erinnern.“ Und Apothekerin Christiane Sirrenberg versteht die Frage eher als Anregung fürs Leben: „Ich wünsche mir noch eine intensive Zeit mit meinem Partner und mit meinen Kindern.“

Eine Kooperationspartnerin von „Wenn ich die Wahl hätte“ ist Christine Vieweg, Geschäftsführerin der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal; die Altenhilfe ist Träger des Projekts. Martin Hamburger, Leiter der Wuppertaler Diakonie, betont die Bedeutung des Hospizdienstes, neben der Sterbebegleitung selbst auch das Thema nach außen zu tragen. Die Aktion sieht er als einzigartig, sogar „in der Stadt und in der ganzen Welt“: „Über das Persönliche will sie auch das Kommunikative in den Blick bekommen.“ Und Klaus-Joachim Börnke vom Hospiz-Förderverein sieht gerade im nicht einfachen Charakter des Sterbethemas eine Chance für mehr Gemeinschaft untereinander: „Es ist etwas Besonderes, bei einer sich entfremdenden Gesellschaft mit solch einem Thema in die Nachbarschaft zu gehen.“ Eben weil vielleicht irritierend, könnten demnach die Fragen und Antworten der Aktion dann Menschen zusammenbringen.

Über das Sterben ins Gespräch bringen, so etwa die Idee, könnte dann sogar eine Doppelbedeutung bergen: Austausch zum ernsten Thema einerseits, aber auf dem Wege des Themas auch Kontaktpflege zum Leben im Quartier - im Idealfall auf Dauer.

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