Orgel-Serie Diese historische Orgel hat einen großen Freundeskreis

Wuppertal · Die Wilhelm-Sauer-Orgel in der Evangelisch-reformierten Kirche Wuppertal-Ronsdorf weist viele Besonderheiten auf. Sie wurde 1908 erbaut und ist bis heute im Ursprungszustand erhalten.

 Chorleiterin und Organistin Silke Schneider (l.) und Kirchenmusikerin Renate Schusky sind von der Orgel begeistert.

Chorleiterin und Organistin Silke Schneider (l.) und Kirchenmusikerin Renate Schusky sind von der Orgel begeistert.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Damals hatte die Gemeinde verschiedene Orgeln besichtigt und Angebote eingeholt. Ein Vorbild gab es in der Elberfelder Friedhofskirche, wo genau zehn Jahre zuvor die renommierte Firma Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder die große Orgel gebaut hatte.

Als Opus 1026 baute Wilhelm Sauer, der nach seiner Ausbildung bei Aristide Cavaillé-Coll (Paris) studiert hatte, auch die Orgel in Ronsdorf. Sie kostete 11 000 Mark. Die Kirchengemeinde traf damals eine wichtige Entscheidung: Die Orgel wurde nicht, wie in bergisch-reformierten Kirchen üblich, in einer Nische versteckt, sondern auf der Empore der Kirche gegenüber von Altar und Kanzel gut sichtbar platziert. So bildet sie mit dem puristischen Kirchenraum von 1858 ein architektonisches Gesamtkunstwerk.

Der Klang ist an jedem Punkt des Raumes ausgeglichen und transparent, die Lautstärke ist so beschaffen, dass auch in der gut gefüllten Kirche die singende Gemeinde begleitend geführt werden kann. Die Orgel ist ein klangliches Zeitdokument, da alle Orgelpfeifen in ursprünglicher Legierung und in originaler Mensuration, also den Maßverhältnissen in Länge und Durchmesser, erhalten sind. Unbeschädigt kam sie durch die beiden Kriege und entspricht bis heute den Klang­idealen ihres Erbauers und der damaligen Zeit.

Als Renate Schusky 1989 die Orgel kennenlernte, war es „Liebe auf das erste Hören“, sagt die gelernte Cembalistin, die dann 27 Jahre lang in offizieller Funktion als Kirchenmusikerin an dieser Orgel tätig war. 2016 ging sie in den Ruhestand, doch bis heute ist sie dem Instrument und der Gemeinde treu geblieben. Eigentlich war sie auch nur nach Ronsdorf gekommen, um das alte Instrument zu besichtigen.

Außergewöhnlich ist die pneumatische Traktur. Sauer war der letzte große Orgelbauer, der die Röhrenpneumatik baute, die heute wegen ihrer Verzögerungen bei der Ton­erzeugung oft kritisiert wird. In dieser Orgel ist sie aber in ausgereifter Form vorhanden und für die Zusammenarbeit mit Chor, Instrumentalisten und Gesangssolisten gut geeignet. Auch Besonderheiten wie Kegellade, freie Kombinationen und Crescendo-Walze, die Sauer ursprünglich nur bei großen Orgeln baute, weist die Ronsdorfer Orgel auf.

Seit 1985 steht die Orgel unter Denkmalschutz

Am original erhaltenen, formklaren Spieltisch mit zwei Manualen und Pedal befinden sich Kippschalter für die Register. Seit 1985 steht die Orgel unter Denkmalschutz, doch seit den 1970er Jahren gab es ständig Störungen, später kam es zu völligen Tonausfällen. Die dringend notwendige Restaurierung des Instrumentes erfolgte 1995 durch die Nachfolgefirma Wilhelm Sauer Orgelbau in Müllrose bei Frankfurt/Oder. Die Gesamtkosten von 153 410 Euro wurden zu fast 80 Prozent durch Spenden finanziert. Schusky hat damals die große Restaurierung begleitet und stand immer in direktem Austausch mit den Orgelbauern. „Alle miteinander haben immer wieder beraten, damit es zum Besten gelingen kann“, erinnert sie. Nach Originalplänen wurde die wertvolle Orgel behutsam und historisch exakt restauriert.

Beim Einweihungskonzert war die Kirche voller Menschen. „Die Leute freuten sich, dass unsere Orgel wieder in neuem Glanz erstrahlte“, erzählt Renate Schusky. In einem Gutachten des damaligen Orgelsachverständigen hieß es: „Orgelbau Sauer hat es sehr gut verstanden, der Orgel ihren poetischen, aber auch festlichen und majestätischen Klang zurückzugewinnen.“ Der Gutachter betonte außerdem, dass die Firma großes Einfühlungsvermögen bei der Klangwelt ihrer Orgel bewiesen habe.

„Ronsdorfer Orgelherbst“ ist schon seit 25 Jahren etabliert

„Es ist für mich immer wieder eine Entdeckungsreise“, sagt Silke Schneider, die als Chorleiterin und Organistin hier tätig ist, und stellt mit großer Begeisterung die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten der Orgel vor. Auch bei Gastorganisten erfreut sich die Orgel großer Beliebtheit. Die jährliche Orgelkonzertreihe „Ronsdorfer Orgelherbst“ ist schon seit 25 Jahren etabliert, und viele renommierte Organisten zeigten, dass diese Sauer-Orgel nicht nur für Musik von Mendelssohn, Brahms oder Reger, sondern auch für italienische Barockmusik durchaus geeignet ist.

Einige Tonbeispiele und viele Fotos von der Orgel sind auf der Homepage der Kirche im Netz zu finden:

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