Wuppertal Boris Charmatz soll neuer Intendant des Tanztheaters Pina Bausch werden

Wuppertal · Die Ära Bettina Wagner-Bergelt beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch endet - nun soll der Franzose Boris Charmatz folgen.

 Boris Charmatz soll nach Wuppertal kommen.

Boris Charmatz soll nach Wuppertal kommen.

Foto: Juan Garcia

Die Ära Bettina Wagner-Bergelt beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch endet bekanntlich zum Ende der laufenden Spielzeit im Sommer 2022. Nachfolger der Intendantin soll der Franzose Boris Charmatz werden. So jedenfalls lautet der Vorschlag des Aufsichtsrats des Tanztheaters, den er heute bekanntgegeben hat. Ergebnis eines aufwändigen, und in der Corona-Pandemie einmal verlängerten Findungsprozesses. Weshalb die Doppelspitze Wagner-Bergelt und Roger Christmann (Geschäftsführer), die eigentlich für zweieinhalb Jahre gekommen war, um ein Jahr verlängert hatte.

Als die Tanzmanagerin und der Betriebswirt und Finanzwissenschaftler Ende 2018 die Leitung gleichberechtigt übernahmen, wurde ihr Engagement bis zum Sommer 2021 befristet. Zu ihren Aufgaben gehörte die Konsolidierung des Theaters, dessen ehemalige Intendantin Adolphe Binder damals vor Gericht gegen ihre Kündigung klagte, der Aufbau neuer Strukturen und die Mitarbeit an ihrer eigenen Nachfolge. Zu Beginn des vergangenen Jahres startete die Suche nach einer neuen „künstlerischen Geschäftsführung“, die eine „künstlerische Persönlichkeit mit mehrjähriger erfolgreicher Leitungserfahrung in einer vergleichbaren internationalen Institution des Tanzes“ sein sollte, „die die besondere Geschichte des Ensembles respektiert und das Erbe Pina Bauschs auf innovative Weise in die Zukunft führt und neue choreographische Akzente setzt“. Die Bewerber mussten damals wie auch in der zweiten Runde ein vierstufiges Verfahren mit acht Verantwortungsbereichen durchlaufen, in denen sie sich als Entscheider, künstlerischer Entscheidungsfinder, Choreograph, Beschützer des öffentlichen Bildes, künstlerischer Qualitätsmanager, Bindeglied zur Pina Bausch Foundation, Visionär und Mentor beweisen sollten. Ein ungewöhnlich großer Personenkreis wirkte an der Auswahl mit: die etwa 60-köpfige Mitarbeiterschaft (Tänzer, Verwaltung, Technik), der Aufsichtsrat des Tanztheaters, Vertreter von Stadt, Land und Foundation. Ziel: Eine von all diesen Beteiligten getragene Entscheidung, die Streitigkeiten wie die mit Binder ausschließen soll.

Boris Charmatz wurde 1973 in Chambéry geboren, er studierte klassisches Ballett an der Ècole de danse der Opéra National de Paris und am Konservatorium Lyon. Von 2008 bis 2018 leitete er das Centre Chorégraphique national in Rennes, gründete die Gruppe „edna“. Er produzierte mit dem gebürtigen Wuppertaler Raimund Hoghe 2006 „Régi“. 2011 war er künstlerischer Leiter des Festival d’Avignon, ist gern gesehener Gast internationaler Festivals, wurde in die Tate Modern in London und ins Moma eingeladen. Er arbeitete mit namhaften Tänzern zusammen, 2013 etwa mit Anne Teresa De Keersmaeker. Er choreografierte mehrere Stücke, unter anderem „manger“ für die Ruhrtriennale 2014. Mit der Choreografie „10 000 Gesten“ und zwei weiteren Projekten, die er auch auf dem Flughafen Tempelhof realisierte, eröffnete er die Spielzeit 2017/18 der Volksbühne Berlin. Der Künstler und Sohn eines Holocaust-Überlebenden hat sich auch in der Kunstwelt einen Namen gemacht. Und er sieht sich als Vermittler des zeitgenössischen Tanzes, war zum Beispiel von 2006 bis 2008 Gastprofessor an der Universität der Künste Berlin (UdK).

Die 63-jährige Bettina Wagner-Bergelt begründete Tanzfestivals („Dance“) und Kinder- und Jugendprogramme („Campus“), wurde mehrfach ausgezeichnet und baute ab 1990 das moderne Tanzrepertoire an der Bayerischen Staatsoper auf. Das führte zwangsläufig auch zu Pina Bausch und, nach deren Tod, zu einer Premiere. Das Staatsballett übernahm 2015 als erstes und bislang einziges externes Ensemble ein Bausch-Stück. Bis 2016 war Wagner-Bergelt, die in der Nähe von Herford geboren wurde, stellvertretende Direktorin und Leitende Dramaturgin des Bayerischen Staatsballetts, verließ nach 27 Jahren das Haus.

Roger Christmann wurde 1971 im belgischen Eupen geboren. Der studierte Handels- und Finanzwissenschaftler verantwortete Finanzen und Personal, als Brüssel Kulturhauptstadt Europa 2010 war, war mehrfach kaufmännischer Geschäftsführer, so auch vom Theater der Welt in Mülheim an der Ruhr und Essen.

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