Schule Das Abenteuer Schulwechsel

Arne Ulbricht ist jetzt als Lehrer an die Gesamtschule Pina Bausch gewechselt.

Wuppertal: Arne Ulbricht berichtet aus seinem Lehreralltag
Foto: steiner/ulrbicht/STEINER

„Okay, nun zur Weimarer Verfassung“, beginne ich und merke, dass ich keine Lust mehr auf dieses Thema habe. Bevor ich während meines eigenen Unterrichts am Berufskolleg einschlafe, stelle ich einen Versetzungsantrag.

Überraschenderweise geht alles ganz schnell, und schon bald stehe ich vor 29 liebenswerten, lebhaften Fünftklässlern einer Gesamtschule. Und tatsächlich: Die Gefahr einzuschlafen ist gebannt! Aber leider liegt das nicht daran, dass ich neue Themen unterrichten darf. Sondern eher daran, dass wirklich niemand bei dem (immerhin fröhlichen) Chaos in meinem Unterricht schlafen könnte.

Eine typische Unterrichtsstunde: „Ich erkläre euch die Aufgaben jetzt mal ganz genau“, sage ich zu Beginn. Es folgt eine absurd kleinschrittige Erklärung. Alexei fragt: „Sollen wir die Bilder aus dem Buch abmalen?“ „Nein… ihr sollt die Bilder NICHT abmalen, sondern euch ANDERE Bilder zum selben Thema ausdenken und…“

In diesem Augenblick entsteht an einem Tisch ein Tumult. Was da los sei, frage ich. Ach so, Eric hat seinen Nachbarn mit dem Lineal gepiekst. In dem Moment, in dem ich darauf reagieren möchte, stelle ich fest, dass Aylin am Waschbecken steht. Sie sei angemalt worden, sagt sie. Als auch sie wieder sitzt, wird gearbeitet. Alexei ist als Erster fertig.

„Guck mal, wie schön ich alles abgemalt habe!“, sagt er.

Nach dem Versuch, „Ergebnisse“ zu vergleichen, ist die Stunde zu Ende. Kurioserweise sind die Schüler bestens gelaunt und wirken, als gebe es nichts Tolleres als zur Schule gehen zu dürfen.

Und ich? Ich hätte nie für möglich gehalten, dass man mit 46 noch so viel dazulernen muss. Zum Glück haben meine neuen Kollegen viel Geduld und geben mir nie das Gefühl, ein Vollidiot zu sein. Den Schulwechsel bereue ich trotz manch einer Schwierigkeit nicht, ich empfinde ihn vielmehr als Abenteuer. Und darüber hinaus gibt es jeden Tag diesen einen Moment, in dem alle Zweifel weggewischt werden. Zum Beispiel stand neulich am Ende einer Stunde eine Schülerin vor mir. „Herr Ulbricht, der Unterricht hat mir heute echt Spaß gemacht“, sagte sie.

Wow, dachte ich. Ich hatte längst vergessen, wie wichtig man als Lehrer für (kleine) Schüler sein kann.

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