Schwebebahn-Notbremse Wuppertal gehen die einsatzfähigen Schwebebahnen aus

Wuppertal · Ein Wahrzeichen und das wichtigste Verkehrsmittel Wuppertals steht nach den Sommerferien weitestgehend still - wie es dazu kommen konnte? Eine Zusammenfassung.

 WSW-Vorstand Markus Hilkenbach (v.l.) und Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Bell lassen sich von Michael Krietemeyer die Radreifen und die Abnutzungsspuren daran zeigen.

WSW-Vorstand Markus Hilkenbach (v.l.) und Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Bell lassen sich von Michael Krietemeyer die Radreifen und die Abnutzungsspuren daran zeigen.

Foto: WZ/Fries, Stefan (fri)

Den Stadtwerken gehen die einsatzbereiten Schwebebahnen aus. Da nach den Sommerferien nur noch zehn Schwebebahnen betriebsbereit sein könnten und die defekten Räder der Bahnen mutmaßlich Schäden an den Schienen des Gerüstes verursachen, zogen die Stadtwerke die Notbremse. Die Schwebebahn wird von August 2020 bis voraussichtlich Sommer 2021 nur an den Wochenenden in Betrieb sein. In der Zwischenzeit müssen die Ursachen für die Schäden an Bahnen und Gerüst geklärt und abgestellt werden. Gegen den Hersteller der neuen Schwebebahn-Baureihe, den Düsseldorfer Fahrzeug-Hersteller Kiepe Electric, soll eine Klage wegen „Schlechterfüllung und Schadenersatz“ vorbereitet werden. Die WSW rechnen nach einer vorläufigen Schätzung mit Kosten für die Reparaturen, Einnahmeverluste und Ersatzmaßnahmen in einer Höhe von sechs Millionen Euro.

Im August 2019 waren 27 Fahrzeuge zum Einsatz gekommen, die nach einer mehrmonatigen Betriebspause wegen des Abrisses einer Stromschiene mit neuen Rädern zum Stückpreis von 8000 Euro (64 000 Euro pro Fahrzeug) auf die Strecke gingen. Bis zum Lockdown im März lief alles noch relativ rund, aber dann gab es laut Ulrich Jaeger, Geschäftsführer von WSW mobil, erste Auffälligkeiten, was die Geräuschentwicklung angeht. „Im Mai haben wir deutliche Gebrauchsspuren an den Rädern und Schädigungen an der Schiene festgestellt, die im Juni sprunghaft angestiegen sind. Einen solchen Zustand kannten wir bisher nicht. Die Räder sehen nach 20 000 Kilometern aus, wie sie selbst nach 60 000 Kilometern nicht aussehen dürften“, sagt Ulrich Jaeger.

Die WSW hätten sich eigenständig um technische Lösungen bemüht. So zum Beispiel als Risse im Stahl von Drehgestellen entdeckt wurden. „Auf eigene Kosten wurde ein neuer Notfang (Achsenzähler) entwickelt, wodurch die Weichensteuerung verbessert werden konnte. Wir haben zahlreiche Mängel beseitigt, damit wir weiterfahren konnten. Ohne diese Maßnahmen hätten wir schon früher Probleme im Betrieb gehabt“, sagt Jaeger. Das zentrale Problem sei, dass das Rad extrem schnell verschleiße und Schäden an der Fahrschiene verursache, die nicht hinnehmbar seien „Ein Schienentausch dauert Jahre, das wäre etwas, was wir uns nicht leisten können“, sagt Jaeger.

Der Aufsichtsrat ist
mit seiner Geduld am Ende

Der WSW-Aufsichtsratsvorsitzende Dietmar Bell spricht vom Ende der Geduld mit dem Hersteller Kiepe Electric. „Wir wollen in unserer regulären Aufsichtsratssitzung im August über eine Klageerhebung entscheiden. Wir müssen bewerten, ob eine Klageerhebung ein Risiko darstellt. Das könnte der Fall sein, wenn noch Abhängigkeiten gegenüber dem Hersteller bestehen würden. Danach sieht es vor einer abschließenden Bewertung nicht aus. Es geht um Schadenersatzforderungen und Vollzugsschäden für parallel laufende Projekte wie das Betriebssystem, Einnahmeverluste und gestiegene Kosten für Reparaturen und Wartung. Nach meiner Auffassung werden wir diesen Weg bestreiten“, sagt Dietmar Bell. Über das Verhalten von Kiepe Electric sei er erstaunt. Bei vielen Mängeln, die angesprochen wurden, sei Kiepe nicht bereit, sich an der Beseitigung zu beteiligen. „Ich erwarte von Kiepe Electric und dem Anteilseigener Knorr, dass sich das ändert“, sagt Dietmar Bell.

Die Räder der Schwebebahn werden laut Michael Krietemeyer, technischer Leiter der Schwebebahn, vom Bochumer Verein Verkehrstechnik hergestellt. Das galt aber auch schon für das Vorläufermodell, das über austauschbare Radreifen verfügte. Für die neue Baureihe wurde aus Gewichtsgründen auf Räder in einem Stück umgestellt. Vier Gutachter sind bereits für die Stadtwerke im Einsatz, um Materialprüfungen vorzunehmen. Die jetzt angekündigten Maßnahmen seien mit der Technischen Überwachungsbehörde der Bezirksregierung abgesprochen.

„Wir sind uns alle bewusst, dass die Seele der Stadt getroffen ist und sich die Menschen sehr viele Fragen stellen werden“, sagt Dietmar Bell. An Wochenenden wird die Schwebebahn mit Fahrgästen unterwegs sein. Für die Werktage und den Berufsverkehr reiche die Zahl der dann verfügbaren Wagen nicht aus, so Jaeger. 21 Bahnen sind Voraussetzung für einen 3,5-Minutentakt.

Hersteller Kiepe Electric sieht „aus fahrzeugtechnischer Sicht keinen Grund, den Betrieb einzuschränken.“ Diese Notwendigkeit sei der mangelnden Verfügbarkeit von Ersatzrädern geschuldet. Die rechtzeitige Beschaffung von Verbrauchsmaterial in Hinblick auf Termine und Mengen obliege dem Betreiber und nicht dem Hersteller des Fahrzeugs.

Kiepe Electric habe großes Interesse an der transparenten und vollumfänglichen Aufklärung des vorliegenden Vorgangs. Nicht zuletzt, da sich in der Vergangenheit erhobene Vorwürfe, zum Beispiel bezüglich des Materials des Drehgestells, nach gutachterlicher Prüfung als nicht haltbar herausgestellt hätten.

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