Hebamme „Wir sind eigentlich unabdingbar“

Wuppertal · Hebamme Nadja Nugnes spricht mit der WZ über den Engpass in ihrem Berufsstand.

Hebamme Nadja Nugnes (r.) mit Stephanie Scheuer und ihren Kindern Emma und Ben.

Hebamme Nadja Nugnes (r.) mit Stephanie Scheuer und ihren Kindern Emma und Ben.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Wuppertal die schrumpfende Stadt – das war gestern. 2017 stieg die Zahl der Geburten stadtweit auf 3300, was ein Plus von rund 20 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren entspricht. Gleichzeitig schlägt die AOK Alarm: Es gibt einen Mangel an Hebammen im Rheinland. Nach einem aktuellen Report der Krankenkasse wird nur noch rund jede zweite Frau nach der Geburt von einer Hebamme betreut. „Bedenklich“, urteilt die AOK.

Die WZ besuchte Hebamme Nadja Nugnes (31) im Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal und sprach mit ihr über den Hebammen-Mangel und die Herausforderung des Berufs. Die Wuppertalerin hat zehn Jahre Berufserfahrung und ist selber dreifache Mutter. Hebamme wollte sie bereits als Kind werden.

Frau Nugnes, die Geburtenrate steigt und es gibt gleichzeitig zu wenig Hebammen. Ist das nicht eine bedenkliche Entwicklung?

Nadja Nugnes: Ja. Ich habe es zwar bei uns im Krankenhaus Gott sei dank noch nicht erlebt, dass wir eine Mutter abweisen mussten. Aber ich halte es generell für gefährlich für Mutter und Kind, wenn personell eine ausreichende Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.

Man hört immer mal wieder von Geburten, die spontan auf dem Weg zum Krankenhaus passieren. Was kann geschehen, wenn kein Fachpersonal eine Geburt begleitet?

Nugnes: Es können bei jeder Geburt Komplikationen auftreten und nur geschultes Personal wird das schnellstmöglich erkennen. So kann es beispielsweise nach der Geburt zu starken Blutungen bei der Mutter kommen, die ohne Behandlung lebensgefährlich sein können. Hebamme und Arzt sind eigentlich unabdingbar bei einer Geburt.

Es müssten sich eigentlich mehr junge Menschen für diesen wichtigen Beruf entscheiden. Können Sie sich vorstellen, warum es trotzdem Vorbehalte gibt?

Nugnes: Generell ist das ein sehr anspruchsvoller Beruf mit sehr viel Verantwortung. Dafür muss man der richtige Typ Mensch sein. Vielleicht schreckt auch die hohe Arbeitsbelastung ab. Wir müssen sehr flexibel sein. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass man mittags keine Pause machen kann oder mehrere Frauen parallel betreuen muss.

Sie stehen doch sicherlich auch während Ihrer Freizeit auf Abruf zur Verfügung?

Nugnes: Klar, ich bin neben meiner Halbzeittätigkeit im Krankenhaus auch freiberuflich als Hebamme tätig. Mein Handy ist immer an. Egal ob ich ins Kino gehe oder in der Nacht schlafe.

Wird der Beruf der Hebamme in unserer Gesellschaft manchmal zu wenig wertgeschätzt?

Nugnes: Ja. Mit Sicherheit nicht von den Familien, die wir betreuen. Aber gerade als freiberufliche Hebammen fühlt man sich von der Politik nicht gerade geschätzt. Dabei ist unser Berufsstand ein ganz wichtiger.

Ist die Bezahlung angemessen?

Nugnes: Ich denke, die Hebammen würden sich freuen, besser bezahlt zu werden für das, was sie leisten. Man muss sich vor Augen führen, dass wir als Hebammen sogar gesetzlich berechtigt sind, eine Geburt alleine durchzuführen. In der Klinik ist natürlich immer ein Arzt dabei, aber bei den Freiberuflichen ist das etwas anderes. Das nur als Denkanstoß, welche Verantwortung wir eigentlich tragen. Dafür müsste eine angemessene Bezahlung gewährleistet sein.

Was gibt Ihnen der Beruf denn abseits der Bezahlung zurück?

Nugnes: Wenn man nach einer erfolgreichen Geburt die glücklichen Eltern sieht und das Kind wohlauf ist, dann gibt mir das immer ein gutes Gefühl, das mich motiviert, weiterzumachen. Das sind ja schließlich auch sehr besondere Momente, an denen wir teilhaben dürfen.

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