"Wir machen keine Kohle - wir machen das für den Stadtteil“

Flohmarkt-Organisator Andreas Schäfer über Sicherheit, Ehrenamt — und Bürokratie.

Herr Schäfer, am Sonntag steigt der Vohwinkeler Flohmarkt. Läuft alles nach Plan?

Andreas Schäfer: Jetzt ja — nachdem wir vergangene Woche die Genehmigung bekommen haben.

So spät erst?

Schäfer: Die Loveparade-Katastrophe hat vieles verändert: Alle machen sich Gedanken über die Sicherheit bei Großveranstaltungen, es gibt vonseiten der zuständigen Stellen zahlreiche und immer neue Auflagen.

Was hat sich nach Duisburg für den Flohmarkt verändert?

Schäfer: Beispielsweise der Ordnerdienst. Der ist intensiver geworden, eine Forderung, die man allerdings nachvollziehen kann: Auch auf dem Flohmarkt muss es ausreichend viele Ansprechpartner geben, die sich rund um die Uhr um die Sicherheit kümmern.

Und vermutlich spielen Fluchtwege eine größere Rolle.

Schäfer: Eine entscheidende sogar. Es gab auf den hiesigen Flohmärkten schon immer Sicherheitsabstände, damit Einsatzfahrzeuge im Notfall durchkommen. Jetzt müssen noch andere Szenarien bedacht werden.

Welche anderen Szenarien?

Schäfer: Angenommen, es kommt zu einer Gasexplosion auf der Kaiserstraße. Dann müssten die Leute schnell weg — und nicht nur ein paar, sondern gleich Tausende. Durch die Sicherheitsabstände würden dann Fluchtwege frei gehalten. Denn es darf auf keinen Fall zu Engpässen kommen — was ja in Duisburg passiert ist.

Aber lässt sich Duisburg überhaupt mit Vohwinkel vergleichen?

Schäfer: Die Loveparade hatte eine ganz andere Dimension. Wuppertals Flohmärkte sind außerdem keine Partys, zu denen die Massen in entsprechender Feierlaune strömen. Aber auch bei unserer Veranstaltung muss die sogenannte Entfluchtung im Gefahrenfall funktionieren. Deshalb haben die Seitenstraßen der Kaiserstraße als Flucht- und Rettungswege frei zu bleiben. Das ist in unserem Sicherheitskonzept ganz speziell aufgeführt.

Funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stadt in dieser Hinsicht?

Schäfer: Was mich auf Seiten der AGVV ein bisschen geärgert hat, war, dass die Anforderungen an uns erst vier Wochen vor dem Flohmarkt kamen — dabei hatten wir die erste Sicherheitsbesprechung mit Polizei, Stadtverwaltung und Feuerwehr bereits im Mai. Das hätte ich mir alles ein bisschen früher gewünscht. Aber wir haben ja trotzdem noch alles hinbekommen (lacht).

Zum Beispiel?

Schäfer: Eine Forderung war, dass wir als Veranstalter eine ständige, funktionierende Meldekette zu Polizei und Feuerwehr aufrecht halten müssen. Diese Auflage erreichte uns kurz vor unserer Mitgliederversammlung. Da haben wir uns tatsächlich gefragt, ob wir das leisten können oder das Fest besser ausfallen lassen.

Sie haben ernsthaft erwogen, den Flohmarkt abzusagen?

Schäfer: Am Abend vor der Mitgliederversammlung stand es kurzzeitig zehn zu eins gegen den Flohmarkt. Aber die Haltung hat sich bei einem Ortstermin mit Ordnungsamt und Feuerwehr relativiert. Wir haben dann innerhalb von zwei Tagen unsere gesamten Unterlagen überarbeiten und hunderte Blatt Papier neu drucken müssen. Dass diese Auflage so kurzfristig erfolgte, war ein bisschen schade.

Sie haben dennoch Verständnis?

Schäfer: Na ja. Wenn was passiert, muss jeder für sich darlegen, dass er seinen Job ordentlich gemacht hat. Man hat ja in Duisburg gesehen, was passiert, wenn der Staatsanwalt die Fragen stellt. Da wird lieber fünfmal nachgebessert.

Ist es denn wirklich notwendig, etwas zu verändern, das so viele Jahre reibungslos funktioniert hat?

Schäfer: Es ist ja noch nie etwas passiert! In all den Jahren nicht ein einziger Gefahrenfall. Aber wenn er eintritt, muss man gerüstet sein — und verbessern kann man immer etwas. 100-prozentige Sicherheit gibt es nun einmal nicht.

Sie waren der erste Wuppertaler Veranstalter überhaupt, der ein umfassendes Sicherheitskonzept für Großveranstaltungen erstellt hat. Gab es vorher etwa keines?

Schäfer: Doch, natürlich. Wir haben das Thema immer sehr ernst genommen und hatten praktisch gesehen schon seit Jahrzehnten ein Sicherheitskonzept. Es musste nur mal zusammengefasst, gegliedert und mit einem Inhaltsverzeichnis versehen werden. Das haben wir zwei Monate nach der Loveparade gemacht — und da waren wir im Tal in der Tat die ersten.

Mittlerweile ist das Konzept auch von anderen Veranstaltern übernommen worden.

Schäfer: Ich selbst habe es den Sonnbornern und dem Bezirksverein Heckinghausen für das Bleicherfest zur Verfügung gestellt. Welche Wege das Papier sonst noch genommen hat, weiß ich nicht (lacht). Ist aber auch vollkommen in Ordnung — welcher Ehrenamtler stellt schon ein solches Papier zusammen? Das kann man ja kaum erwarten.

Gutes Stichwort: Gibt es für ehrenamtlich organisierte Feste keine Sonderregelungen?

Schäfer: Nein. Und das ist sehr frustrierend. Mit Großveranstaltungen wird oft richtig Geld gemacht — siehe Oktoberfest. Aber hier in Wuppertal engagieren sich durchweg Ehrenamtler. Wir machen keine Kohle, wir machen das für den Stadtteil, für die Vereine. Dahinter steckt eine ganz andere Motivation als bei so einem Loveparade-Veranstalter. Das sollte man von Seiten der Behörden stärker berücksichtigen. Und wissen, wem man eine solche Verantwortung aufbürdet. Wenn beispielsweise ein Kind verunglückt, weil einer unserer Ordner nicht richtig reagiert hat — dann sind wir, dann bin ich als Veranstalter in der Pflicht. Dieses Szenario darf man sich im Grunde nicht vor Augen führen — denn dann macht der Flohmarkt nämlich gar nicht mehr so viel Spaß.

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