Kommentar Wieso der "südländische Typ" nicht in eine Täterbeschreibung gehört

Wuppertal. Irgendwo in Wuppertal hat dieser Tage jemand einen Verkehrsunfall verursacht — und sich feige aus dem Staub gemacht. In solchen Fällen bittet die Polizei die Öffentlichkeit um Mithilfe, in dem sie eine zumeist sehr grobe Täterbeschreibung veröffentlicht.

Kommentar: Wieso der "südländische Typ" nicht in eine Täterbeschreibung gehört
Foto: Schwartz, Anna (as)

Es gehört zu den Aufgaben einer Lokalredaktion, die Polizei in solchen Fällen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Das machen alle Tageszeitungen gern und so gewissenhaft, wie es geht. In diesem speziellen Fall hat auch die WZ die Täterbeschreibung veröffentlicht. Und trug der Redaktion harsche Kritik ein. Er sei froh, schrieb ein Wuppertaler sinngemäß, dass es mit den Zeitungen langsam zu Ende gehe. Er könne es kaum noch abwarten. Warum die üble Schimpferei? Die Polizei hat den Unfallflüchtigen nach Zeugenberichten als „südländischen“ Typen beschrieben. Die Redaktion tat das nicht — und erntete eine Beleidigungskanonade, wie sie zum Glück sehr selten vorkommt. Doch es ist schon unangenehm, wenn einem der Tod gewünscht wird, wenn es auch nur der Tod einer Mediengattung ist.

Warum aber durfte der Hinweis auf den vermeintlichen Südländer nicht fehlen? Ging es da wirklich um die Unterstützung der Polizeiarbeit? Nein, wie der intensive Mailverkehr verriet. Es ging darum, dass Südländer mit Flüchtling oder Türke oder Marokkaner gleichgesetzt und damit das Vorurteil bestätigt wird, dass Kriminelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit grundsätzlich aus diesen Regionen stammen. Südländer aus Spanien, Portugal, Italien, Griechenland oder Südfrankreich sind demnach nicht gemeint. Und das ist auch schon ein Grund dafür, in Zeiten wie diesen auf Beschreibungszusätze wie „südländischer Typ“ zu verzichten. Ganz zu schweigen von Deutschen mit schwarzen Haaren und braunen oder blauen Augen. Auch die gibt es reichlich.

Ein ebenso wichtiger Grund ist, es jenen nicht so leicht zu machen, die alles, was fremd ist, unter Generalverdacht stellen, auf dass ihr verengtes Bild von der Welt nicht von der Realität übermalt werde. Straftäter kommen aus aller Herren Länder. Auch unter den Flüchtlingen gibt es welche. In NRW ist laut Polizeistatistik jeder dritte erfasste Kriminelle Ausländer. Zwei Drittel sind deutsch. Rassismus ändert daran nichts.

Nationalismus auch nicht. Am Samstag schlägt der „Pulse of Europe“ wieder sichtbar. Auch in Wuppertal, im und am Barmer Rathaus: Ein paar Dutzend Bürger versuchen, sich mit ihrer Werbung für ein Gebilde Gehör zu verschaffen, das Deutschland immerhin schon seit gut 60 Jahren trotz Bürokratie, trotz ihrer Konstruktionsfehler unter zunächst schwierigsten Bedingungen Frieden, Freiheit und den meisten Deutschen überdurchschnittlich hohen Wohlstand verschafft. Diese Europäische Union ist, teils durch eigenes Verschulden, vor allem aber deshalb in Misskredit geraten, weil zu viele den Wert des friedlichen Zusammenlebens mit Franzosen, Belgiern, Niederländern, Italienern und Spaniern nicht mehr zu schätzen wissen. Sie haben vergessen, dass Europa für viele Menschen in der ehemaligen DDR ein Heilsversprechen gewesen ist, für das sie eine Revolution starteten, die letztlich die Mauer zum Einsturz brachte.

Wenn alle, die sich an der vermeintlich grundsätzlichen Kriminalität von Arabern und Flüchtlingen ergötzen, erst ein Geschichts- und dann ein Telefonbuch Wuppertals zu Hand nehmen, dann lernen sie, dass in dieser Stadt ein besonderer Puls schlägt: der Puls von Menschen aus 180 Nationen, die in aller Regel vollkommen friedlich und einträchtig zusammenleben. Wenn es etwas gibt, worauf ausnahmslos alle Wuppertaler stolz sein können, dann darauf. Ein paar Wuppertaler haben das vermutlich vergessen. Vielleicht hilft ihnen der am Wochenende wieder sichtbare „Pulse of Europe“, den Puls von Wuppertal zu spüren.

Schön wär’s.

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