Ausstellungsprojekt WHYPOP - als eine Skulptur das obere Parkdeck am Islandufer blockierte

„Sicht Weisen – Kunst auf der Talachse“ schuf 2007 sechs Monate lang fünf temporäre Skulpturen-Orte.

 Eine Art  blaues Wunder erwartete die Passagiere dieser Schwebebahn.

Eine Art  blaues Wunder erwartete die Passagiere dieser Schwebebahn.

Foto: Carmen Klement

Einigen wurde übel, andere vermissten den freien Blick auf die Stadt. Insgesamt aber lösten die „Mood Trains“ bei den Fahrgästen Begeisterung aus. Bei sieben Schwebebahnen hatte  Cornelia Parker die Fenster mit unifarbenen Folien versehen, sechs Monate schwebten die  verkleideten Waggons  durchs Tal. Im Rahmen der   „Sicht Weisen – Kunst auf der Talachse“ vom 25. März bis 23. September 2007, an der insgesamt fünf Künstler teilnahmen. Neben Parker waren dies Tony Cragg, Robert Elfgen, Harald Klingelhöller und Ina Weber. „Es gab auch Leute, die auf die Bahnen warteten, um mit ihnen zu fahren“, erinnert sich Carmen Klement, die damals das Kunstprojekt des Kulturbüros Wuppertal im Rahmen der Bergischen Regionale leitete. Zwei Skulpturen, „I’m Alive“ und „WHYPOP“ erinnern noch heute an die  einmalige Ausstellung im öffentlichen  Raum.

Die Regionale 2006 sollte für Wuppertal, Solingen und Remscheid wie ein Strukturentwicklungsprogramm wirken.  Wuppertal setzte dabei auf  eine städtebauliche Erneuerung an signifikanten Orten entlang der Talachse. Dazu zählten die Neugestaltung des Hauptbahnhofs, die Schaffung von Zugängen zur Wupper, die Weiterentwicklung von Parkanlagen – oder der Ausbau kultureller Orte als Kontrapunkt zur ehedem zur Industrie-Abwasserkloake verkommenen Wupper. Ulrike Groos und Peter Gorschlüter von der Kunsthalle Düsseldorf wurden mit dem Projekt „Kunst auf der Talachse“ beauftragt. Sie luden die  Kunstschaffenden ein, um Umdeutungen sowohl räumlicher als auch poetischer Natur vorzunehmen. Zur Vorbereitung unternahmen alle zusammen im April 2006 eine  Erkundungstour unter dem Motto „Enge und Gemenge – Visionen, Stagnation“. Klement: „Neben Schwebebahnfahrten über die gesamte Bahnstrecke, einem Vortrag zur „Mentalitätsgeschichte des Wuppertals“ im Engels-Haus, einer Besichtigung des Museums für Frühindustrialisierung und einem Besuch bei der Regionale-Agentur mit einer Einführung ins „Freiraumprogramm“ wurden viele Stationen im Talraum ausführlich betrachtet und  besprochen.“ Die Künstler  entschieden sich für fünf Objekte an fünf „Pätzen“, die zwar „verschiedene Ansätze verfolgten“, aber „auf wunderbarerweise am jeweiligen Ort wirkten und funktionierten“, schwärmt Klement noch heute. Sie betont, dass trotz notwendiger Beteiligung vieler, von den WSW über Ströer (Ina Weber) bis hin zum CVJM (Robert Elfgen), trotz   anfänglicher Skepsis und Zurückhaltung, sich rasch breite Unterstützung und Begeisterung   durchsetzten.

Auch der finanzielle Rahmen (269 000 Euro wurden durch das Land, Jackstädt-Stiftung, Barmenia Versicherungen und eine städtische Sonderrücklage getragen) wurde eingehalten. Mehrausgaben bei den Produktionskosten etwa wurden zum Beispiel durch Honorar- oder Einnahmeverzicht (Cragg, Stadtwerke, Ströer, Leonhards) aufgefangen.

Was war im einzelnen zu sehen? Der Kölner Robert Elfgen installierte auf dem Berliner Platz eine burgähnliche Skater-Anlage, die ausdrücklich zum Spielen, Klettern und Befahren genutzt werden sollte. Prompt kollidierte sein Vorhaben  mit dem vorgebuchten Nutzungsanspruch eines Autoscooter-Betreibers, weshalb ein Teil der Anlage zwischenzeitlich abgebaut werden musste. Auch entdeckte der Tüv Rheinland diverse, die Sicherheit gefährdende Konstruktionsmängel, die es zu  beheben galt. Der CVJM Oberbarmen übernahm die Betreuung von „My Home is my Castle“, „das so gut angenommen wurde, dass es am Ende völlig verschlissen war, die Skuptur vernichtet wurde“, so Klement. Unfälle ereigneten sich glücklicherweise nicht.

Tony Cragg hatte sich für die Grünfläche zwischen der B7 nahe der Oper entschieden, einen Ort, der Kunst verschiedener Sparten versammelt und eng mit der Talachse verknüpft ist.  Dass die anfänglich von ihm vorgesehene Skulptur nicht rechtzeitig fertig wurde, erwies sich im Nachhinein als Glücksfall. Er stellte stattdessen die organisch geschwungene, silbrig glänzende und 6,50 Meter hohe Skulptur „I’m Alive“ auf –  seine Liebeserklärung an die Stadt wurde zum Publikumsliebling. Cragg entsprach außerdem der Bitte, das Kunstobjekt als Dauerleihgabe der Stadt zu belassen.

Skateranlage wurde intensiv angenommen und so verschlissen

Einen schwierigen Ort hatte sich die Berlinerin Ina Weber ausgesucht. Um ihr Buswartehäuschen vor Schauspielhaus und Cinemaxx an der Kluse aufzustellen, musste die dort vorhandene Bushaltestelle abgebaut, Fragen nach der Fahrplananbringung oder der Beleuchtung geklärt werden.  Die Busgäste konnten sich schließlich über ein einladendes, farbiges und bunt beleuchtetes Wartehäuschen freuen, das  innen und außen Sitzplätze bot, eine verspiegelte Mittelsäule hatte und mit Mosaiksteinchen geschmückt war. Klement: „Durch die Säule und die Mosaiken entstand ein Diskoeffekt.“

Andere Herausforderungen löste Harald Klingelhöllers „WHYPOP“ aus, das der gebürtige Mettmanner auf den Platz im Kreisverkehr Hofkamp/Neuenteich aufstellen wollte. Der aber entwickelte sich zur längerfristigen  Baustelle, weshalb der Künstler einen nicht minder exponierten Platz vorschlug. Das obere Deck des Stadtwerke-Parkhauses am Islandufer, „weil es mitten in der Verkehrsachse  steht und sich sein Werk auf den Verkehr orientiert“, erklärt Klement. Da keine statischen Probleme bestanden, wurde der große, 13 Tonnen schwere,  schwarze, fünf Meter lange Block aus sechs Buchstaben mit dem Kran auf das gesperrte Deck gehoben, wo es den Besuchern Rätsel aufgab. Mit Geldern der Jackstädt-Stiftung wurde die Skulptur 2008 von der Stadt gekauft, auf den fertiggestellten Kreisel gestellt und rundherum nach den Vorstellungen Klinkelhöllers bepflanzt und bekiest.

Derweil schwebten die „Mood Trains“ der Londonerin Parker über der Wupper, erinnerten an die Färberrtadition der Stadt und die Geschichte des Industrieflusses. Sie waren wohl der umstrittenste Beitrag der „Sicht Weisen“. Trotz der Kritik hielten die WSW  durch, nahmen ihre Rücktrittsklausel nicht in Anspruch. Angedrohte Abonnementkündigungen blieben aus. Dabei bezog das Projekt die Bevölkerung von Anfang an ein, weshalb die Künstler  ihre Werke im Von der Heydt-Museum vorstellten, kostenlose Führungen, Seminare an der Universität und Schulprojekte, Infoblätter in der Schwebebahn angeboten wurden.

Klement blickt gerne auf die „Sicht Weisen“ zurück, könnte sich auch eine Wiederholung gut vorstellen, die aber  – der hohen finanziellen und personellen Aufwands wegen –  am besten ihm Rahmen eines größeren Projektes wie der BuGa realisiert werden könnte.

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