Was glauben Sie denn? Zwei Königskinder

501 – das ist eine Zahl, die keine Kompromisse duldet. Mit einem einfachen Wurf beginnt das Spiel, einem Single-In. Die Entscheidung aber kann nur in einem Doppelfeld fallen – ein Double-Out. Wer es mit je drei Würfen am schnellsten schafft, von 501 auf 0 zu kommen, gewinnt das pfeilschnelle Spiel auf die Dartscheibe – er muss nur auf den Punkt kommt, exakt, ohne Kompromisse.

Dr. Werner Kleine - Freisteller

Dr. Werner Kleine - Freisteller

Foto: Christoph Schönbach

Es gibt kein Zuviel oder Zuwenig. Es gibt nur die 501.

Single-In und Double-Out – das ökumenische Spiel zwischen evangelischen und römisch-katholischen Christen ist auch 501 Jahre nach dem legendarischen Thesenanschlag Martin Luthers in der Schwebe. Allen Rufen nach Einheit zum Trotz warten die lutherischen, reformierten, unierten und römisch-katholischen Christen immer noch etwa auf das gemeinsame Abendmahl so wie Estragon und Wladimir: „Komm, wir gehen!“ – „Wir können nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Wir warten auf Godot.“ „Ah.“ Und so geben sich auch in diesem Jahr der evangelische Reformationstag am 31.10. und das römisch-katholische Allerheiligenfest am 1.11. bei Sonnenuntergang die Klinke in die Hand, ohne dass sie zueinanderkommen können. Wie zwei Königskinder sitzen sie seit 501 Jahren da, sind einander in liebender Abgrenzung verbunden und kommen doch nie zueinander. Ist das Wasser wirklich so tief? Was glauben Sie denn?

Vor einem Jahr feierte die evangelische Kirche das 500jährige Reformationsjubiläum. Ein Jahr lang hatte man sich auf den großen Tag vorbereitet. Auch die katholische Kirche versuchte mitzufeiern. Die Münchener Männerfreundschaft zwischen dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Heinrich Bedford-Strohm und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx tat ein Übriges, um die Hoffnungen auf eine rasche Annäherung zu nähren. Zu Beginn des großen Jubiläumsjahres rief man auch „Komm, wir gehen“ – im Frühjahr diesen Jahres, als die Deutschen Bischöfe eine pastorale Handreichung zum gemeinsamen Abendmahl in konfessionsverschiedenen Ehen veröffentlichten, folgte dann aber: „Wir können nicht.“ „Warum nicht?“ – fragen viele nicht zu Unrecht. Und so dreht sich der Reigentanz des Wartens auf die Einheit von Jahr zu Jahr weiter. Ist es wirklich ein Wunder, dass die Welt des Wartens überdrüssig die Zeit beim Sonnenuntergang zwischen dem 31.10. und dem 1.11. mit Kürbissen und Halloweenparties vertreibt? Das Leben will gelebt und gefeiert werden! Den Königskindern hingegen läutet nur das Totenglöcklein.

Single-In, Double-Out – der nächste Wurf im Spiel des Lebens muss sitzen. Das mehr als 50 Jahre alte Wort Papst Johannes XXIII, die Kirchen verbinde mehr, als sie trenne, stimmt zwar quantitativ. Qualitativ trügen die trennenden Wasser immer noch tief. Wenn man sie überwinden will, muss man echte, tragfähige Brücken bauen. Aus dem Material, aus dem man bisher allen ökumenischen Beteuerungen zum Trotz letztlich doch Mauern errichtet – hier das Beharren auf einem herausgehobenem Klerikertum, dort die Ablehnung des Papstes, die einen mokieren sich über die Segnung von Tieren, die anderen rümpfen die Nase über mangelnden Respekt gegenüber der kirchlichen Tradition, von der Betonung der teilweise großen Unterschiede im Verständnis des Abendmahles einmal abgesehen – könnte man einiges zustande bringen, wenn man bereit wäre, sie abzubauen. Wäre! Hätte! Fahrradkette … Konjunktive taugen nichts in Liebesschwüren: Willst Du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht? Lass uns noch warten … Schade! Wo bleibt da die Leidenschaft, zu streiten, zu lieben und zu leben? Ich will …

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