Wenn Literatur bewusst Wahrheit fälscht

Michael Zeller bringt zur Literatur Biennale #SchönLügen seinen aktuellen Roman „Falschspieler“ mit und stellt sich Fragen.

Wenn Literatur bewusst Wahrheit fälscht
Foto: Gerhard Bartsch

Der Autor Michael Zeller trug den Stoff für sein Buch „Falschspieler“ schon länger mit sich herum: „Manchmal bekommt es aber einem Thema gut, wenn es ein paar Jahre abhängt“, erklärte er am Dienstagabend im Saal der Zentralbibliothek seinen zahlreichen Zuhörern.

Zur Wuppertaler Literatur Biennale, die in diesem Jahr unter der Überschrift #Schön Lügen steht, passte es gut, dass der 73-jährige mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller aus seinem Roman „Falschspieler“ las, der sich der Frage nach (literarischer) Wahrheitsfälschung auf grundsätzliche Art und Weise stellt — über die Tagesaktualität hinausweist.

In seinem Roman thematisiert der Wahl-Wuppertaler Zeller den tatsächlich passierten literarisch-kriminellen Fall „Forestier“, über den der „Spiegel“ 1955 berichtet hatte. „Alles ist erfunden, aber alles ist belegbar“, versichert der Autor mit Blick auf sein Buch und liest zunächst aus der Sicht des Fremdenlegionärs, der nach Kanada ging und sich dort als Hilfsarbeiter durchschlug. Weiter geht es mit den Briefen Elmar Kieslings an Leo Zurmühlen, seinen Ansprechpartner in Deutschland, den er Meister nennt und dem er seine Gedichte schickt.

„Sie scheinen Sympathien für den jungen Dichter zu haben, der sich in die Fänge des Meisters gibt“, vermutet der Kulturjournalist und Theaterkritiker Bernd Noack, der den Abend moderiert. „Es ist auch meine eigene Kindheit“, verrät der gebürtige Breslauer Zeller: „In Unterfranken, wo ich groß geworden bin, da waren beispielsweise Künstler aus dem Elsass und Ostpreußen. Mit denen war ich als Kind dauernd zusammen, mit Elmar Kießling bin ich groß geworden. Aus der Biografie und dem historischen Fall habe ich meinen Roman zusammengebaut.“ Ob es noch einmal vorstellbar sei, dass eine Literaturfälschung solches Aufsehen errege, wollte Noack wissen. „Jeder hat sich in dieser Geschichte besudelt. Die Gedichte, die als genial beschrieben wurden, waren ordentlich geschrieben, aber nur Massenware“, stellt Zeller klar und nennt es „einen perfekten Coup“.

Zeller erzählt seine Geschichte aus der Sicht unterschiedlicher Ich-Erzähler. Und begründet das so: Es macht doch Spaß, so ein bisschen zu schauspielern. Sich beispielsweise mal in eine 30-jährige Frau zu verwandeln, gradliniges Erzählen ist doch langweilig.“ Stimmt, sein Buch ist allerdings alles andere als langweilig.

Akribisch und wunderbar ausschweifend schildert er die einzelnen Figuren, so dass sie beim Lesen lebendig werden. Um das Ganze in die Gegenwart zu bringen, lässt er zum Schluss einen jungen Literaten erzählen, der ein Stipendium in New York hat und von dort aus die Geschichte recherchiert.

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